Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi
paar Fragen stellen, und Sie sollten mir ehrlich antworten«, lautete Stefans Empfehlung.
»Warum?«, fragte Patrick Haberl gedehnt.
»Weil Leonies Mörder vielleicht noch frei herumläuft.«
»Behauptet das meine Frau?«, meinte Haberl wenig überzeugt.
»Aussagen sind eines, Fakten etwas anderes.« Stefan legte sich damit nicht fest, denn Letztere sprachen Andreas Bacher schuldig. Sie passten perfekt, aber für Stefan Sanders war dieser Mord zu kalt und zu ordentlich. Er hätte an Andreas Bacher als Täter geglaubt, wäre da nicht der Überfall auf Marian gewesen, die Zeitdiskrepanz und seine Intuition. Diese allerdings ganz zuletzt.
Er nannte Haberl ein paar Namen und fragte ihn, ob er einen der Männer kannte. Stefan wusste, er hatte außer den Einheimischen und den Schwestern nur zwei zur Auswahl, die sich gerade auf Frauenchiemsee aufhielten und mit dem Kloster zu tun hatten. Beide hatten einen ausgezeichneten Ruf, der eine stand sogar im Dienst des Erzbischofs, was ihn aber nicht automatisch aus der Gleichung nahm.
Stefan war von solchen Zusammenhängen unbeeindruckt, sein Vorgesetzter hoffentlich auch. Falls nicht, dann konnte er sich darüber später noch Gedanken machen. Aber er glaubte zu wissen, dass der Bischof sich nicht vor seinen Mitarbeiter stellen würde. Wer nach Rom wollte, hatte viel zu viel zu verlieren.
Patrick Haberl ließ sich Zeit, dann begann er Stefan seine Bekanntschaft mit Dr. Seidel zu schildern.
»Wir tauschen uns seit jeher über den Reliquienhandel aus.
Bei mir landen alle möglichen und unmöglichen Angebote. Es geht durchaus auch mal um unrechtmäßig erworbenes oder um gestohlenes Gut. Mein Interesse ist etwas anderer Natur. Ich muss den Nachweis erbringen, dass etwas rechtmäßig den Besitzer wechselt und außerdem echt ist, denn es kann ja auch nur gut gefälscht sein.« Jetzt klang er sogar richtig vernünftig.
»Und da kommt der Historiker ins Spiel«, sagte Stefan.
»Während Dr. Seidels Begeisterung und Verehrung etwas Obsessives hat und sein Interesse eher dem eines Sammlers gleicht, ist Karl Lichtenfels ein wirklich hervorragender Historiker. Ich lernte ihn kennen, weil ich einen Echtheitsnachweis brauchte. Aber den konnte er mir nicht geben. Es war eine Ikone, die mit einer Geschichte verkauft wurde; angeblich stammte sie aus dem Besitz von Rasputin, dem russischen Wanderprediger und Geistheiler. Ihr wurde außerdem eine heilende Wirkung bestätigt.«
Stefan fragte sich, wie man so etwas überhaupt bestätigen wollte.
»Lichtenfels erklärte mir, Rasputin habe das Ding nie gesehen, außer der Mann könnte durch die Zeit reisen – nämlich in die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts.« Haberl vertraute dem Historiker ganz offensichtlich. »Meistens weiß er schon nach einem ersten Blick darauf, worum es sich handelt. Ohne seine Beurteilung wäre ich einige Male ganz übel verladen worden. Wir kennen uns und helfen uns hin und wieder aus. Ich würde ihn einen Freund der Familie nennen.«
Patrick Haberl war anzusehen, dass er es für völligen Quatsch hielt, wenn der Kriminalkommissar auch über ihn selbst Genaueres wissen wollte. »Das kanonische Recht schreibt: Bedeutende Reliquien, die große Verehrung im Volk finden, können ohne Erlaubnis des Apostolischen Stuhls nicht veräußert oder verlegt werden. Ich kann also nicht einfach etwas erwerben und es anbieten. Dazu ist ein bischöfliches Dekret erforderlich, das ich natürlich vorweisen kann.« Es war eine Rechtfertigung, und Stefan fragte sich, was Haberl ihm damit zu verstehen geben wollte. Dass er nicht mit Fälschungen handelte?
Das interessierte Stefan überhaupt nicht, der Mann konnte seinetwegen verhökern, was er wollte. Er hatte genug gehört, es war an der Zeit, die wichtigste Frage zu stellen.
»Hätte Leonie für Karl Lichtenfels oder für Dr. Seidel den Ring der seligen Irmengard genommen – und ihn gegen einen anderen ausgetauscht? Oder hätte sie es getan, wenn Sie das von ihr verlangt hätten?«
Patrick Haberl sog scharf die Luft ein. »Die Reliquien der Seligen auf Frauenchiemsee? Sind Sie wahnsinnig? Ich hätte mein Kind niemals in solch eine Lage gebracht. Sie wollte dem Herrgott dienen.« Jetzt liefen ihm Tränen über die Wange. »Sie war doch keine Diebin!«
Stefan erzählte ihm vom Ring der Seligen, den Leonie gezeichnet hatte. »Leonie war bestimmt keine Diebin, doch es könnte andere Gründe gegeben haben. Vielleicht weil sie glaubte, sie müsse etwas
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