Mord auf Raten
ein Wort. Um fünf Minuten nach neun kamen sie in Weiterstadt an.
Donnerstag, 21.05 Uhr
Haftanstalt Weiterstadt, Untersuchungsgefängnis. Brandt hielt auf dem Parkplatz vor der Einfahrt, und sie stiegen aus. Er war schon oft hier gewesen, er kannte das Gefängnis und etliche seiner Insassen, manche davon schwere Jungs, die er selbst eingebuchtet hatte und die noch viele Jahre hier verbringen würden, zwei sogar lebenslänglich, einer davon ohne Chance auf vorzeitige Entlassung, da ihm wegen zweifachen Frauenmordes zusätzlich Sicherungsverwahrung auferlegt worden war.
Brandt zeigte dem Pförtner, den er recht gut kannte, seinen Dienstausweis, wechselte ein paar Worte mit ihm, der Mann nickte und reichte ihm den Brief, der in einem zugeklebten Umschlag steckte.
Er wog ihn in der Hand, sah Andrea nachdenklich an und gab ihr mit dem Kopf ein Zeichen, ihm wieder zum Wagen zu folgen. Sie setzten sich hinein, machten die Innenbeleuchtung an, Brandt riss den Umschlag auf und nahm den Brief heraus. Er hielt ihn so, dass Andrea mitlesen konnte.
Lieber Herr Brandt,
entschuldigen Sie bitte diese persönliche Anrede, aber ich denke, wir können jetzt die Förmlichkeiten, die auch etwas mit Kälte und Distanziertheit zu tun haben, beiseite lassen. Ich möchte mich auch für mein Verhalten von heute Mittag entschuldigen, es war nicht gegen Sie persönlich gerichtet. Doch nun zu dem eigentlichen Grund für diesen Brief, den ich auch nur schreiben kann, weil ich vorhin vom Arzt ein Beruhigungsmittel bekommen habe, sonst würde meine Hand zu sehr zittern
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Ich habe gelogen, als ich gesagt habe, ich hätte Wedel umgebracht. Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass die Beweislage gegen mich spricht, und nachdem ich mit der Frau Staatsanwältin gesprochen habe, weiß ich, dass es für mich keine Möglichkeit mehr gibt, das Gefängnis lebend zu verlassen. Mir ist aber seit gestern durch die vielen Fragen, die Sie mir gestellt haben, und vor allem bei dem Verhör durch Frau Klein klar geworden, dass mein Leben sinnlos geworden ist und ich nichts mehr zu verlieren habe. Meine Festnahme war nur der traurige Höhepunkt oder auch Abschluss der verkorksten letzten drei Jahre. Ich habe nichts mehr, und ich würde auch in Zukunft nichts mehr haben als mein lausiges Leben, das so wertlos ist wie ein Auto ohne Motor
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Um es noch einmal zu betonen, ich habe mit dem Mord an Wedel nicht das Geringste zu tun. Aber ich möchte Ihnen sagen, dass ich eine Vermutung habe, in welchem Umfeld der Mörder zu finden sein könnte, doch ich werde Ihnen diese Vermutung nicht mitteilen, da ich sie nicht fundieren kann und auf keinen Fall Unschuldige in Schwierigkeiten bringen möchte, denn wie gesagt, es ist nur eine Vermutung
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Für Wedel hege ich weder irgendwelche Sympathien, noch habe ich auch nur das geringste Mitleid mit ihm. Mitleid habe ich jedoch mit jenen Menschen, denen er außer mir so viel Leid zugefügt hat. Sie werden herausfinden, wer für den Mord an Wedel verantwortlich ist, denn Sie sindein guter Polizist und ein guter Mensch (Sie wissen sicher, was im Speziellen ich meine). Auf meine Menschenkenntnis habe ich mich immer verlassen können, bis ich Wedel und seine Verschlagenheit kennen lernte. Er hat Menschen nur für seine Zwecke benutzt und ausgenutzt und hat schließlich einen hohen Preis dafür bezahlen müssen
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Ich weiß auch, dass Sie noch immer nach dem Mörder von Kaufung suchen, aber ich bin fast sicher, dass Wedel seinen besten Freund umgebracht hat. Weshalb und warum, vermag ich jedoch nicht zu sagen
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Wenn Sie diese Zeilen lesen, bin ich bereits bei meiner Frau, die ich über alles geliebt habe und immer noch liebe. Sie erwartet mich. Diese Welt hat mir nichts mehr zu bieten, ich gehe gerne und ohne jedes Schuldgefühl, denn ich habe mir nichts vorzuwerfen, außer dass ich zu oft zu naiv gewesen bin
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Ich weiß nicht, ob man meinen toten Körper schon gefunden hat, aber ich kann Ihnen versichern, dass ich nicht lange leiden musste. Erinnern Sie sich, wie ich Ihnen sagte, dass ich noch einmal auf die Toilette müsste, bevor Sie mich mit ins Präsidium nahmen? Ich hatte geahnt, was auf mich zukommen würde, denn nach all dem, was mir in den vergangenen drei Jahren widerfahren ist, wusste ich, dass das Schicksal sich endgültig gegen mich entschieden hatte. Im Bad hatte ich eine Kapsel aufbewahrt, die ich nun direkt nach dem Schreiben dieses Briefesschlucken werde. Sie war für mich eine Sicherheit für den Fall, dass es noch
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