Mord auf Raten
sich auf die Pritsche, und nachdem der Wachmann außer Sichtweite war, sagte Andrea: »Wenn ich mit dem Arzt gesprochen habe, machen wir einen Abstecher bei Elvira vorbei. Sprich am besten gleich mit ihr, dann hast du’s wenigstens hinter dir. Ich warte im Auto. Was hältst du davon?«
»Vergiss es. Ich kann doch nicht mitten in der Nacht bei der klingeln! Die bringt mich um. Außerdem weiß ich gar nicht, wo die wohnt.«
»Ich weiß es aber. Und wenn sie blöde Fragen stellt, sagst du, du hättest die Adresse von mir. Ganz einfach.«
»Nein, ich mach das anders. Ich werde gleich morgen früh in ihr Büro fahren und kann nur hoffen, dass sie nicht bei Gericht ist. Das ist besser so, glaub mir.«
Nach kurzem Überlegen meinte Andrea: »Du hast wohl Recht. Dann fahren wir eben nach Hause, ich bin sowieso müde.«
Es dauerte keine fünf Minuten, bis der Gefängnisarzt mit dem Wachmann angerannt kam. Andrea erklärte ihm in knappen Worten, was geschehen war, und bat ihn, den Totenschein auszustellen und Banser in die Rechtsmedizin bringen zu lassen. Er begutachtete den Toten und nickte nur.
»Sie scheinen Recht zu haben, sieht wie Zyankali aus und riecht auch so. Möchte wissen, wie er das hier reingeschmuggelt hat. Ich muss das übrigens auch an die Staatsanwaltschaft melden«, sagte der Arzt, ein großer, glatzköpfiger, stiernackiger Typ, der allein schon von seiner Statur und seinem Aussehen her wie geschaffen für einen Knast wie diesen war, wie Brandt konstatierte.
»Es reicht doch, wenn Sie Staatsanwältin Klein ein Fax zukommen lassen. Die Nummer müssten sie eigentlich haben. Sie hat es dann morgen früh auf Ihrem Schreibtisch, und ich kann mich dann auch gleich mit ihr kurzschließen. Ich habe den Mann verhaftet, sie hat ihn dem Haftrichter vorgeführt. Um diese Zeit kriegen Sie sowieso nur einen Staatsanwalt, der Bereitschaft hat.«
»Die Meldung geht heute noch raus, ganz gleich, was Sie sagen, sonst bekomme ich Schwierigkeiten«, entgegnete er barsch, als hätte er gemerkt, dass Brandt Zeit schinden wollte. »Den Totenschein gebe ich Ihnen aber gleich mit und lass diesen Banser nach Frankfurt in die Rechtsmedizin bringen.Mehr kann ich nicht tun.« Er stellte den Schein aus und reichte ihn Brandt. »Ich hab dem übrigens vorhin noch ein Beruhigungsmittel gespritzt, der hat gezittert wie Espenlaub. Dieser Typ war Schwerstalkoholiker, er hat’s auch zugegeben.«
»Was haben Sie ihm denn gespritzt?«, wollte Andrea wissen.
»Valium, zehn Milligramm. Wenn’s sonst nichts weiter gibt, ich hab noch einen Notfall zu behandeln. Danach ruf ich die Men in Grey. Wiedersehen.« Er machte kehrt und verschwand nach draußen.
Brandt und Andrea holten ihre Sachen am Eingang ab und fuhren zurück nach Offenbach. Während der Fahrt sagte Brandt: »Das hätte nicht passieren dürfen. Und es ist meine Schuld, ganz gleich, was du auch sagst.«
»Jetzt hör doch endlich auf damit! Du hast deine Pflicht getan, und damit basta! Banser war nun mal verdächtig, allein schon durch seine jahrelange Fehde mit Wedel. Und wenn er auch noch um so viel Geld betrogen wurde, dann muss man doch annehmen, dass bei ihm irgendwann eine Sicherung durchbrennt. Dazu die Fingerabdrücke, und er ist beziehungsweise war Alkoholiker. Diese Leute sind unberechenbar. Bitte, tu mir den Gefallen und hör auf, dir Vorwürfe zu machen. Sonst will ich heute Nacht nicht bei dir bleiben.«
Brandt holte tief Luft und fuhr an den Straßenrand. Er stellte den Motor ab und drehte sich zu Andrea, um sie in den Arm zu nehmen. Er hielt sie eine ganze Weile fest und fing an zu weinen. Nachdem er sich einigermaßen beruhigt hatte, sagte er: »Tut mir leid, aber diese ganze Sache wächst mir über den Kopf. Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll. Ich hatte noch nie einen derart verzwickten Fall.«
»Wenn wir zu Hause sind, trinken wir noch ein Gläschen, hören ein bisschen Musik und gehen dann ins Bett. Du wirst sehen, es dauert nur noch ein paar Tage, und du hast den gordischen Knoten gelöst.«
»Dein Wort in Gottes Ohr.«
»Ich glaube an dich, genügt dir das?«
»Ich bin unausstehlich, ich weiß. Dazu kommt noch was, aber darüber will ich jetzt nicht sprechen.«
»Was denn?«
»Zu Hause.«
»Nicht zu Hause, sofort! Du weißt, wie ungeduldig ich sein kann. Was ist noch los?«
»Ist nicht so wichtig.«
»Mensch, jetzt rück schon raus mit der Sprache.«
Brandt druckste herum, bis er leise sagte: »Ich hatte in den letzten Monaten mit vielen
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