Mord auf Raten
los, geh schon.«
»Ich möchte, dass du mitkommst. Dabei kannst du mir vielleicht auch gleich sagen, was er genommen hat.«
»Elvira wird Wind davon bekommen. Willst du das wirklich?«
»Diese Frau ist mir so was von egal. Aber sie ist deine Freundin.«
»Und das ist mir jetzt egal. Soll sie doch wissen, dass wir zusammen sind. Sie kommt in letzter Zeit sowieso nur noch, wenn sie wieder mal gefrustet ist. Ich mag ihre Geschichten nicht mehr hören. Und außerdem, wer sagt denn, dass sie’s erfährt? Und noch mal außerdem – ich hab diese Geheimniskrämerei ohnehin satt.«
»Dann komm mit. Du würdest mir einen riesengroßen Gefallen tun.«
»Also los.«
Sie stiegen wieder aus und gingen zum Pförtner.
»Wir möchten bitte zu Herrn Banser. Er ist heute hergebracht worden.«
»Strafvollzug oder U-Haft?«
»U-Haft.«
»Moment«, er ging die Liste durch, »hier hab ich ihn. Bisschen spät, was?«
»Wir müssen mit ihm sprechen. Das ist übrigens Dr. Sievers von der Rechtsmedizin in Frankfurt. Hast du deinen Ausweis dabei?«
Sie holte ihn aus ihrer Jacke und hielt ihn hoch. Der Pförtner nickte wieder nur und machte das Tor auf. Sie passierten eine Schleuse, die selbst auf die kleinsten Metallgegenstände mit einem lauten Piepton reagierte. Sie gaben ihre Geldbörsen, Armbanduhren und andere Sachen ab, die in zwei Plastikschalen aufbewahrt wurden, bis sie das Gefängnis wieder verlassen würden. Sie füllten jeder einen Besucherschein aus und wurden schließlich von einem Wachmann zu Bansers Zelle geführt. Der Wachmann schloss auf und machte das Licht an.
Banser lag in völlig unnatürlicher Haltung auf dem Boden,sein Gesicht war grimassenhaft verzerrt, blutiger Schaum hatte sich um seinen Mund gebildet, der durchdringende Geruch von Bittermandeln hing in der Luft.
»Mein Gott, was ist das denn?«, rief der Wachmann entsetzt aus und wollte bereits nach draußen rennen, um einen Kollegen zu holen, doch Brandt hielt ihn zurück.
»Bleiben Sie hier. Wir wussten schon, dass er tot ist. Dr. Sievers ist Rechtsmedizinerin und wird ihn kurz untersuchen. Danach kann der Gefängnisarzt sich um ihn kümmern.«
»Sind Sie Hellseher?«
»Nein, er hat uns einen Brief geschrieben«, antwortete Brandt trocken.
»Ach so. Ich bin erst seit einer Stunde im Dienst. Hat er geschrieben, dass er sich umbringen wollte?«
»Sonst wüssten wir es wohl kaum. Und, was kannst du sagen?«
»Ziemlich eindeutig Kaliumzyanid, besser bekannt als Zyankali. Der ist schon mindestens zwei Stunden tot, die Leichenstarre fängt an einzusetzen. Kein sonderlich schöner Tod.«
»Wie meinst du das? Ich denke, Zyankali wirkt schnell.«
»Diesem Irrtum unterliegen die meisten. Das kann manchmal fünf bis zehn Minuten dauern. Manche sterben gar nicht dran, weil sie die Dosierung zu niedrig gewählt haben.«
»Und wie hoch ist die tödliche Dosis?«
»Man sagt ein Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Banser hat so an die siebzig bis achtzig Milligramm benötigt, was ganz leicht zum Beispiel in einer Vitaminkapsel unterzubringen ist. Ich schätze aber, er hat, um sicherzugehen, mindestens hundert bis hundertfünfzig Milligramm genommen. Wennschon, dennschon.«
»Und wie wirkt das Zeug?«
»Es wirkt erst in Verbindung mit der Magensäure. Überlebende berichten von einem fürchterlich brennenden Schmerz, als ob es ihre Innereien zerreißt. Und so, wie er hier liegt, ich meine, so verkrampft, hat er erst mal ganz schön gelitten, und wenn es nur ein oder zwei Minuten waren. Ich möchte nicht so sterben. Aber er hat’s hinter sich.«
»Wie hat er das hier reingekriegt?«, fragte der Wachmann, der ganz bleich im Gesicht war.
Andrea hielt ein Taschentuch hoch, das deutlich sichtbare braune Spuren zeigte. »Er hat’s in seinem Hintern versteckt, das heißt, vermutlich zwischen seinen Arschbacken. Dort sucht man ja auch normalerweise nicht nach Waffen. Und die Metalldetektoren schlagen bei Zyankali auch nicht an.«
»Komm, lass uns abhauen«, sagte Brandt, der einen letzten langen Blick auf Banser warf. »Ich mag das nicht mehr sehen.« Und an den Schließer gewandt: »Verständigen Sie bitte den Gefängnisarzt, damit er den Totenschein ausstellt. Und dann …«
»Langsam«, sagte Andrea und kam aus der Hocke wieder hoch. »Wenn ich schon hier bin, möchte ich auch kurz mit dem Arzt sprechen. Wie schnell kann er denn hier sein?«
»Fünf Minuten«, erwiderte der Wachmann.
»Dann holen Sie ihn, wir warten so lange.«
Sie setzten
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