Mord auf Raten
Kaufungs Tod befragt habe, haben alle ein wasserdichtes Alibi. Und vor allem glaube ich kaum, dass darunter welche sind, die in den letzten zwei Monaten was mit Wedel hatten.«
»Du wirst denjenigen oder diejenige finden, das weiß ich. Ich glaube, Banser kannte den Mörder, der wusste doch alles über Wedel und hat ihn ständig beobachtet. Auch wenn er dauernd betrunken war, er war nicht so zu, dass er die wichtigen Dinge nicht mitbekommen hätte. Lies den Brief noch mal, vielleicht findest du einen Hinweis.«
»Also hatte ich doch Recht, Wedel hat Kaufung auf dem Gewissen …«
»Was zu beweisen wäre.«
»Ja, ja, schon gut, ich werde es beweisen.«
»Was wirst du tun, wenn du Wedels Mörder findest?«
»Diese Frage ist nicht dein Ernst, oder? Mord bleibt Mord, ganz gleich, aus welchen Gründen er begangen wurde.«
»Also wenn ich mir vorstelle, mir würde einer bewusst eine solche Krankheit anhängen, ich weiß nicht, was ich tun würde. Du weißt, was ich meine.«
»Sicher, aber ich kann das Gesetz nicht beugen und einen Mörder weiter frei rumlaufen lassen. Außerdem haben sich alle Frauen freiwillig mit Wedel eingelassen. Sie alle oder zumindest die meisten wussten, dass er in vielen Betten zu Hause war. Sie hätten sich ihm entweder verweigern oder wenigstens verlangen können, dass er ein Kondom benutzt. Wenn sie’s nicht getan haben, dann ist es ihre eigene Schuld. Dazu kommt, dass wir noch nicht einmal wissen, ob er ohne Kondom mit den Damen verkehrt hat.«
»Soll ich dir sagen, dass die Angst, sich mit dem Virus anzustecken, in den letzten Jahren fast völlig aus dem Bewusstsein der meisten verschwunden ist? Es ist leider eine traurige, aber wahre Tatsache. Die ganzen Aufklärungskampagnen haben nur kurzfristig Wirkung gezeigt, das belegen die Statistiken. Aids ist wieder auf dem Vormarsch, und die Dunkelziffer der Infizierten lässt sich nicht mal erahnen, weil viel zu viele Männer und Frauen denken, mich wird’s schon nicht treffen. Die Syphilis ist übrigens auch wieder kräftig auf dem Vormarsch. Die Leute werden einfach nicht schlau.«
»Alles schön und gut, aber das hilft mir im Augenblick nicht weiter. Ich will diesen verflixten Fall lösen und möglichst bald die Akten zuschlagen. Trotzdem, ich weiß gar nicht, wie ich dir danken kann. Ohne deine Hilfe wäre ich nie auf diese geradezu absurde Idee gekommen. Ich war irgendwie auf ein Eifersuchtsdrama fixiert, aber dass dieser Dreckskerl Aids hatte und …«
»Hatte er nicht. Er war positiv, das ist ein gewaltiger Unterschied. Manche leben zehn Jahre oder sogar länger mit dem Virus, bis die Krankheit ausbricht. Doch wenn sie einmal ausgebrochen ist, dann geht’s auch allmählich dem Ende zu. Und wie du mir danken kannst«, sie sah Brandt lange an, »ich hätte da schon eine Idee. Aber die verrat ich dir erst, wenn ich wirklich Recht hatte mit meiner Vermutung. So, Liebster, ich muss mich wieder meiner normalen Arbeit widmen. Wir haben eine Frau reingekriegt, die von ihrem Sohn tot im Bett gefunden wurde. Sechsunddreißig Jahre alt, Todesursache ungeklärt. Der Junge ist gerade mal zehn. Das ist traurig, denn er hat allein mit seiner Mutter gelebt.«
»Das Leben ist eben manchmal zum Kotzen«, sagte er lakonisch.
»Zyniker. Fährst du jetzt zu Wedels Schwägerin?«
»Was soll ich sonst machen? Ich muss mit allen reden, die Wedel näher kannten.«
»Und du musst allen Frauen sagen, was mit Wedel war. Das wird hart, das kann ich dir versprechen.«
»Würdest du mir einen Gefallen tun? Nur noch einen.«
»Und was für einen?«, fragte sie mit diesem spitzbübischen Lächeln, bei dem sich Grübchen um die Mundwinkel bildeten, als würde sie die Frage bereits kennen, die Brandt gleich stellen würde.
»Na ja, du bist Ärztin und eine Frau und …«
»Ja, ja, du großer Held«, sagte sie lachend, »du brauchst gar nicht weiterzureden. Wann wollen wir das machen?«
»Morgen?«, fragte Brandt gequält lächelnd. »Morgen? Wie lange brauchst du denn bei Wedels Schwägerin?«
»Ich schätze mal, dass ich spätestens um halb drei wieder in Offenbach bin.«
»Und ich bin hier so gegen halb vier fertig. Wir können uns um vier bei dir treffen und dann die ersten Besuche abstatten. Mein Wochenende möchte ich nur ungern opfern, höchstens morgen Vormittag noch. Ich will morgen ausschlafen, die letzte Nacht war verdammt kurz. Ich bin schon um fünf aufgestanden und war um halb sechs hier.«
»Okay.« Er legte seinen Mund an ihr Ohr und
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