Mord auf Raten
wirst deinen Stolz bewahren, wenn du ehrlich bleibst. Es waren Sätze, die ihm im Gedächtnis haften geblieben waren. Wenn Brandt einen Menschen kannte, der auch in Zeiten finanzieller Krisen immer seinen Prinzipien treu geblieben war, dann sein Vater und großes Vorbild. Und bis zu diesem Tag hatte er sich nicht einmal von jemandem zu einem Essen einladen lassen, der in einen Fall direkt oder auch nur indirekt verwickelt war.
All diese Gedanken schossen ihm durch den Kopf, als er wach dalag und ab und zu einen Blick auf die schlafende Andrea warf, die er ihm Dunkeln nur schemenhaft wahrnahm, die er gerne in den Arm genommen oder gestreichelt hätte, sie aber nicht wecken wollte, auch wenn sie einmal gesagt hatte, es würde ihr nichts ausmachen, er dürfe sie jederzeit wecken.
Er würde sich erkundigen, wann die Landung des Fliegersaus Chicago geplant war, und Wedel am Nachmittag aufsuchen. Je länger er nachdachte, desto mehr hoffte er, einer falschen Fährte nachzulaufen, denn er hatte Wedel kennen gelernt und schätzte ihn als einen aufrichtigen und ernsthaften Menschen ein. Aber auch die aufrichtigsten und ernsthaftesten Menschen waren in Ausnahmesituationen zu Dingen fähig, die scheinbar jeglicher Vernunft widersprachen. Und Brandt wollte herauskriegen, ob Wedel sich in einer solchen Ausnahmesituation befunden hatte. Was durchaus möglich war, wenn er hinter das dunkle Geheimnis seiner Frau und seines Bruders gekommen sein sollte.
Mitten in all diesen Gedanken schlief er mit Einbruch der Dämmerung doch noch ein. Er wurde geweckt, als Andrea unter seine Bettdecke gekrochen kam und sich an ihn kuschelte. Es war, als würde sie wie eine Katze schnurren, während ihr Kopf an seiner Brust lag. Im ersten Moment hatte er Mühe, sich zu orientieren, obwohl er schon seit fünfzehn Jahren in dieser Wohnung lebte und in diesem Bett schlief, das er aber bald auf den Sperrmüll geben würde, denn er empfand es als unpassend, mit der Frau, die er liebte, in einem Bett zu schlafen, in dem auch jahrelang seine Ex geschlafen hatte. Hier hatten sie Sarah und Michelle gezeugt, einige schöne Nächte verbracht, nur in den letzten Ehejahren vor der Trennung war fast nichts mehr zwischen ihnen gelaufen. Überhaupt würde er peu à peu die Wohnung neu gestalten, neue Tapeten, neuer Teppichboden, vor allem aber neue Möbel. Es sollte ein Heim werden, in dem sich Andrea wirklich zu Hause fühlte, auch wenn sie ihre Wohnung vorläufig noch nicht aufgeben wollte. Aber auch er selbst brauchte diese Veränderung, dieses Neue. Er musste lernen, das Alte und Vergangene loszulassen, denn er merkte, dass Andrea, so gernsie auch mit ihm zusammen war, sich bis jetzt nicht richtig akklimatisiert hatte.
»Wie spät ist es?«, schnurrte sie und kraulte seine Brust.
»Keine Ahnung«, antwortete Brandt, der die Augen noch geschlossen hatte und ihr übers Haar streichelte.
»Es ist schon so hell.« Sie hob den Kopf. »Halb zehn! Du meine Güte, so lange hab ich ja ewig nicht geschlafen. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann wir ins Bett gegangen sind.«
Brandt hatte die Augen immer noch geschlossen und brummte: »Du bist zur Geisterstunde ins Bett.«
»Was heißt hier du?«
»Ich hatte noch was zu tun.«
»Und was, wenn ich fragen darf, du alter Brummbär?«
»Ich musste noch was checken.«
»Alter Morgenmuffel«, sagte sie lachend und boxte ihn leicht auf den Arm. »Was musstest du denn checken?«
Mit einem Mal sprang er hoch, warf sie auf den Rücken und setzte sich über sie. »Dreimal darfst du raten?«
»Es hat mit Wedel zu tun, Jochen Wedel.«
»Richtig. Und weiter?«
»Du hast am Flughafen angerufen – sagt man eigentlich am Flughafen oder im Flughafen? – na ja, ist auch egal, und hast dich erkundigt, wann die Maschine am Dienstagabend aus Lissabon gelandet ist.«
»Fast richtig. Ein Kollege vom KDD hat mir den Gefallen getan und dort angerufen. Wedel ist nicht um einundzwanzig Uhr zwanzig, sondern schon um zwanzig Uhr fünfundfünfzig gelandet. Das heißt, der gute Mann hatte genügend Zeit, um zweiundzwanzig Uhr in Offenbach zu sein und seinen Bruder aufzusuchen. Klingt doch logisch, oder?«
Andrea setzte sich auf und schlang ihre Arme um Brandt.»Logisch klingt das logisch. Aber das will noch lange nichts heißen, mein lieber Schatz. Denk an die Fingerabdrücke von Banser. Und der ist jetzt tot.«
»Ich muss trotzdem mit ihm reden, denn ich denke, die Lösung liegt in der Familie. Entweder seine Frau oder sein
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