Mord auf Raten
Gesichtsfarbe an. Nee, sieht verdammt schlecht um ihn aus. Da nützt auch kein Defi was.«
»War auch mein erster Eindruck, als ich ihn gesehen habe. Ich wollte eigentlich erst einen Notarzt alarmieren, aber ich glaub auch, dass da nichts mehr zu retten ist«, sagte Brandt trocken.
»Dann wollen wir doch mal anfangen.« Sie versuchte Wedels Arme zu bewegen, was ihr nur unter größter Kraftanstrengung gelang, und sagte zu Brandt: »Hilf mir mal, ihn auf den Boden zu legen. Aber vorsichtig.«
»Hast du Angst, er könnte vor Schmerzen schreien, wenn wir ihn fallen lassen?«
»Nein, ich will nur nicht, dass er aufwacht. Er schläft so schön.«
Sie legten Wedel auf den Boden, Andrea zog ihm das vorne leicht und hinten stark blutverschmierte Hemd aus der Hose und meinte: »Aber hallo, der sitzt nicht erst seit heute in dem Sessel.« Sie drehte ihn mit Brandt auf den Bauch und drückte auf die Haut, die sich am Rücken dunkel verfärbt hatte. »Leichenflecken nicht mehr wegdrückbar, vollständig eingesetzte Totenstarre, das verkrustete Blut ist auch schon ein bisschen älter. Wie viel Grad sind hier drin?«
»Woher soll ich das wissen?«, sagte Brandt. »Vielleicht zwanzig oder einundzwanzig, keine Ahnung.«
Andrea Sievers stöhnte auf und holte ein modernes Digitalthermometer aus ihrem Koffer. »Alles muss man alleine machen.« Und nach zwei Minuten: »19,6 Grad.« Undnachdem sie Wedels Temperatur gemessen hatte: »25,8 Grad. Der ist schon gestern Abend übern Jordan gegangen. Irgendwann zwischen zwanzig und vierundzwanzig Uhr. Genau kann ich es erst sagen, wenn er bei mir auf dem Tisch liegt.« Und nach kurzem Überlegen: »Aber der Temperatur und der Totenstarre nach zu urteilen, doch eher nach neun.«
»Wie ist er gestorben?«
»Willst du mich auf den Arm nehmen? Das sieht doch jedes Kind. Er wurde erschossen.«
»Und mit wie vielen Kugeln?«
»Mein Gott, ist das jetzt so wichtig?«
»Für dich vielleicht nicht, für mich schon.«
Sie verzog den Mund und sagte nach einer weiteren eingehenden Begutachtung: »Ziemlich großes Kaliber. Drei Einschüsse, soweit ich das jetzt erkennen kann, alle von vorn, die Kugeln sind hinten ausgetreten und im Sessel stecken geblieben. Mach mal deine Augen auf, dann kannst du’s sehen. Der muss auf der Stelle tot gewesen sein. Aber wie gesagt, Genaueres erst nach der Autopsie.«
»Wann?«
»Um vier, keine Minute früher«, antwortete Andrea und erhob sich wieder. Sie blickte um sich, noch waren sie allein in dem Büro, die Tür war angelehnt. Sie flüsterte: »Wie sieht’s heute Abend aus? Kommst du zu mir, oder soll ich zu dir …«
Brandt zuckte mit den Schultern und meinte ebenfalls leise und nur für Andrea hörbar: »Ich kann noch nicht sagen, wie spät es werden wird. Lass uns telefonieren.«
»Wir haben uns seit Sonntag nicht gesehen, ich habe Sehnsucht«, sagte sie mit diesem Augenaufschlag, dem er nicht widerstehen konnte.
»Ich doch auch. Ich hoffe nicht, dass es zu spät wird. Aber ich will die Mädchen auch nicht schon wieder alleine lassen.«
»Du, ich kann auch schon um sechs oder sieben bei dir sein und mit Sarah und Michelle was kochen oder fernsehen oder ihnen bei den Hausaufgaben helfen.«
»Das ist ein Wort. Und jetzt gehen wir hier raus, sonst denken die noch wer weiß was.«
Nach einer Viertelstunde begaben sie sich wieder in den Ausstellungsbereich, wo die Männer und Frauen der Spurensicherung bereits ungeduldig darauf warteten, mit ihrer Arbeit beginnen zu können. Brandt gab ihnen ein Zeichen und sagte: »Ich erwarte, dass ihr so akribisch arbeitet wie noch nie zuvor in eurem Leben. Nicht nur das Büro, sondern auch den ganzen Rest vom Vordereingang bis zur Hintertür. Es darf nichts übersehen werden. Und wenn ihr zwei Tage dafür braucht. Alles klar?«
»Wir arbeiten immer gründlich.«
»Das weiß ich doch. Aber diesmal bitte ganz besonders gründlich.«
Während Andrea Sievers den Gnadenlosen, das waren die Männer in den grauen Anzügen vom Bestattungsinstitut, die Anweisung gab, den Toten in die Rechtsmedizin zu bringen, ging Brandt zu Eberl, die mit Sandra Heuser und Doreen Müller sprach.
»Kann ich dich bitte kurz einmal unter vier Augen sprechen?«
Nicole Eberl stand auf und folgte Brandt in den vorderen Teil der Galerie, wo sie ungestört waren.
»Was haben die beiden gesagt?«
»Ich habe ihnen nur ein paar Fragen zu gestern gestellt. Die Heuser ist um sieben gegangen, die Müller kurz danach.Später waren sie zusammen
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