Mord auf Raten
sie Banser mit einem abschätzenden Blick, der in seinen ausgeleierten Jeans und dem Karohemd, den dichten Bartstoppeln und den ungekämmten langen Haaren ganz offensichtlichihr ästhetisches Empfinden zutiefst verletzte. Sie stellte ihren Aktenkoffer auf den Boden und erklärte mit emotionsloser Stimme vor: »Ich bin Staatsanwältin Klein und werde mich jetzt mit Ihnen befassen. Herr Brandt, was können Sie mir bisher berichten?« Sie nahm ungefragt die Akten vom Tisch und blätterte darin.
»Wir haben die Fingerabdrücke von Herrn Banser in Wedels Büro gefunden, außerdem waren beide nicht gerade die besten Freunde. Die Gründe hierfür wird Herr Banser Ihnen sicherlich gerne noch einmal erläutern. Alles sonst Wissenswerte finden Sie in den Akten, die Sie ja bereits in Händen halten.«
»Wo kann ich mit Herrn Banser sprechen?«
»Sie können mein Büro nehmen, ich habe noch einiges außer Haus zu tun.«
»Sie haben die Vernehmung auf Band aufgezeichnet?«
»Ganz wie es Vorschrift ist«, entgegnete Brandt ironisch, dessen Tag alleine durch die Anwesenheit der Klein, wie er sie bisweilen abfällig nannte, gelaufen war. »Er gehört Ihnen.«
Brandt begab sich zu Spitzer und machte die Tür hinter sich zu. »Die Klein ist da«, sagte er nur, ging zur Kaffeemaschine und schenkte sich einen Kaffee ein. »Mir ist verdammt unwohl im Moment.«
»Warum? Hat Banser nicht gestanden?«
»Nein, hat er nicht. Und irgendwie hab ich so ein blödes Gefühl.«
»Könntest du vielleicht ein bisschen konkreter werden?«
»Es deutet alles auf ihn hin, aber irgendwas sagt mir, dass er es nicht war. Er hat sich ein paarmal so merkwürdig verhalten, ohne dass ich dieses Merkwürdig beschreiben könnte.«
»Er ist Alkoholiker, die verhalten sich eben nicht normal. Hör zu, seine Fingerabdrücke wurden an verschiedenen Stellen gefunden, unter anderem im Büro. Außerdem wurde er am Tatabend von einer Angestellten vor der Galerie gesehen. Die Indizienkette wird immer dichter und dichter, und jetzt hör um Himmels willen auf, die Augen vor den Fakten zu verschließen, nur weil du vielleicht Mitleid mit dem Kerl hast. Hier geht es um Mord …«
»Das brauchst du mir nicht zu sagen, okay?!«, fuhr Brandt Spitzer an. »Ich hab mit dem Mann lange gesprochen, ich kenne fast sein ganzes Leben.«
»Und wenn er dich angelogen hat?«
»Komm, Bernie, du warst doch gar nicht dabei. Er hat mich nicht angelogen, zumindest was sein Leben angeht. Er wurde von Wedel tierisch betrogen. Banser hat nichts, aber auch rein gar nichts mehr zu verlieren, außer sein Leben. Aber das dauert sowieso nicht mehr lange, weil er sich bald totgesoffen haben wird, sollte sich seine Unschuld herausstellen. Und wenn er im Bau landet, überlebt er das nicht ein Jahr, wenn er es überhaupt überleben will. Der Mann begeht jetzt schon Selbstmord auf Raten. Banser beteuert, Wedel nicht umgebracht zu haben, auch wenn die Beweise gegen ihn sprechen. Aber nehmen wir doch mal an, die Putzfrauen haben einfach nicht richtig sauber gemacht. Wie viele Fingerabdrücke außer denen von Banser und Wedel wurden denn noch gefunden? Fünf, zehn, hundert? Ich möchte wetten, da sind so unzählig viele Fingerabdrücke, und nur weil Banser das gefundene Fressen ist, wird er den Hyänen zum Fraß vorgeworfen.«
»Bist du fertig?«, fragte Spitzer ruhig.
»Leck mich. Mir kommt das alles so vor, als müssten wir nach zwei Morden endlich jemanden haben, den wir dem Pöbelpräsentieren können. Und wer würde sich da besser eignen als ein Säufer, dessen Leben völlig aus den Fugen geraten ist. Irgendwas stinkt hier, ich weiß aber noch nicht, was. Doch ich find’s raus, das schwör ich dir.«
»Du glaubst also tatsächlich, dass Banser unschuldig ist?«, fragte Spitzer und lehnte sich zurück.
»Im Augenblick glaube ich gar nichts. Außerdem hat er mir eben noch einige Dinge über Wedel erzählt, die ich verifiziert haben möchte. Wo ist eigentlich Nicole?«
»Mit drei Leuten in Bansers Haus, wie du es gewünscht hast. Was hat er denn erzählt?«
»Später. Ich muss das selbst erst einmal in Ruhe für mich allein durchgehen. Ich sag dir nur, die ganze Sache stinkt gewaltig zum Himmel.«
»Es ist immer noch dein Fall, auch wenn die Klein Banser nachher vielleicht dem Haftrichter vorführt. Du hast also freie Hand.«
»Okay, ich hau ab. Und Entschuldigung für den Wutausbruch vorhin.«
»Längst vergessen. Verrätst du mir, wo du hinwillst?«
»Zu Petra Johannsen und
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