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Mord auf Widerruf

Mord auf Widerruf

Titel: Mord auf Widerruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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ungläubiges Erstaunen nicht vor ihm verbarg, bis sein riesiger Körper vor Lachen bebte wie der Krakatau.
    »O du Miststück«, sagte sie, in sein Gelächter einstimmend.
    »Ich habe dir doch erzählt«, sagte er zwischen Lachanfällen, »daß er einer der Stürmer war, die ich gut abschütteln konnte. Einmal hätte er mir beinahe ein Ohr abgebissen. Es mußte mit drei Stichen angenäht werden. Hinterher meinte er, es sei wie bei einer Wandlung mit umgekehrtem Vorzeichen gewesen, mein Blut hätte wie ›Sam Smith’s‹-Bier geschmeckt. So, und ich bin kein Bischof, sondern habe viel zu tun, wie steht es mit der Probe? Luzifer ist noch immer auf Reisen, was?«
    »Philip? Ja, verdammt ärgerlich. Er sprach von einer Woche, und nun sind es schon mehr als zwei.«
    »Mach dir keine Sorgen, Mädchen«, sagte Dalziel. »Er kommt wieder, beim Wort Gottes. Ich hab da eine großartige Idee für die Stelle, wo ich zu Noah spreche …«
    Es mußte einfachere Wege geben, sein Brot zu verdienen, als mit Andrew Dalziel zu proben, dachte Eileen Chung. Doch wenn er erst einmal kapiert hatte, daß er zwar in allem, was kriminal und ihretwegen auch episkopal war, das Zepter schwingen mochte, im Theater aber sie der Boß war, würde er eine Sensation sein.
    Das erläuterte sie am Nachmittag Dorothy Horncastle. Die Frau des Stiftsherrn lächelte, als würde ihr der Gedanke Spaß machen. Eileen Chung, deren berufliches Leben sich hauptsächlich aus ihrer Neugier auf Masken und Motive speiste, sagte: »Ihnen gefällt der Gedanke, daß ein großer, dicker Bulle die Rolle Gottes spielt, nicht wahr? Was spricht Sie daran an? Die rüde Geste gegenüber der Kirche? Daß der Stiftsherr eins auf die Mütze bekommen hat? Oder was?«
    Es war eine gewagte Vertraulichkeit, aber Eileen Chung hatte ihre Position nicht dadurch erreicht, daß sie ein Blatt vor den Mund nahm.
    Dorothy Horncastle erstarrte für einige Sekunden, und ihre Miene wurde zu der Maske, die eine Dame ihrer Schicht und Stellung aufzusetzen verpflichtet war, wenn sie sich einer solch plumpen Anbiederung ausgesetzt sah. Dann tauten ihre Züge langsam auf, ein zweites Lächeln kämpfte sich wie die schwache Frühlingssonne hervor, und sie sagte reumütig: »Es tut mir leid, ich bin noch immer nicht …«
    »An meine große Klappe gewöhnt. Sprechen Sie es getrost aus«, sagte Eileen. »Es ist das Beste an mir.«
    »An Ihre Direktheit gewöhnt«, verbesserte Dorothy sie. »Ihre Ehrlichkeit.«
    »Nun machen Sie aber einen Punkt! Sie sind so ehrlich, daß man es meilenweit gegen den Wind riecht.«
    »Nein. Ich befolge Vorschriften, ich gehorche dem Gesetz. Das ist nicht dasselbe. Der wahren Ehrlichkeit nähere ich mich nur in meiner Phantasie.«
    »Ich auch«, sagte Eileen Chung. »Das ist mein Beruf. Aber glauben Sie ja nicht, Ehrlichkeit bedeutet, daß man sich jeden Scheiß gefallen lassen muß. Es kann auch bedeuten, daß man den Leuten, die einem damit kommen, sagt, sie sollen sich ins Knie ficken.«
    »Ins Knie … ficken …« Dorothy probierte die Wörter aus. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich schon soweit bin. Mißverstehen Sie mich nicht. Ich meine damit nur, daß das Profane so natürlich hervorkommen sollte wie die Blätter an einem Baum oder gar nicht.«
    »Dann üben Sie, meine Liebe. Und bis Sie soweit sind, können Sie mich zum Teufel schicken.«
    »Wissen Sie was, ich glaube nicht, daß ich das tun werde. Warum gefällt mir der Gedanke, daß Mr. Dalziel als Gott ein Erfolg wird? Auf keinen Fall als rüde Geste oder Herabsetzung. Im Gegenteil, ich finde, er ist perfekt für die Rolle! Stellen sich denn nicht die meisten Leute den lieben Gott als einen großen, dicken Schutzmann vor, der für Recht und Ordnung sorgt?«
    »Tun sie das? Vermutlich ja. Aber in Andy steckt noch mehr. Er kann eine Menge Lärm machen, wenn er will, aber er schafft es auch, sich so zurückzunehmen, daß er praktisch unsichtbar ist. Eigentlich sollte er ein rundum konventioneller Staatsbürger sein, aber in Wirklichkeit paßt er in keine Schublade so richtig rein. Normalerweise, wenn die Leute sagen, jemand sei ganz sein eigener Herr, haben sie nur noch nicht ausbaldowert, wessen Diener er in Wirklichkeit ist. Doch ich schätze, bei Andy könnte das tatsächlich wahr sein. Herrje, ergibt das, was ich hier sage, überhaupt einen Sinn?«
    »Natürlich«, erwiderte Dorothy Horncastle, die genau zugehört hatte. »Sie sagen, daß Mr. Dalziel allgegenwärtig, allwissend und unsterblich sei.

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