Mord auf Widerruf
Wield verunsichert.
»Das ist richtig.«
Wield zeigte seinen Ausweis.
»Herr im Himmel. Es ist der Polyp, Liebes. Ich vermute, Sie sind wegen meiner Aussage gekommen? Sie ist fertig. Hier wird man beim ersten Spatzenfurz geweckt, wissen Sie, ich hatte Stunden, um mein Ei zu legen.«
Er drückte Wield ein einzelnes Blatt Papier in die Hand, das mit dem Briefkopf der örtlichen Gesundheitsbehörde versehen war.
Die Frau hatte sich inzwischen wieder in Ordnung gebracht und war zu einem Muster an kurzangebundener, effizienter Stationsschwester geworden.
»Wenn Sie mich entschuldigen wollen«, sagte sie, »ich schaue später wieder herein.«
»Nettes Ding, was?« sagte Waterson selbstgefällig, als die Schwester den Raum verließ.
Wield musterte ihn unauffällig. Er ging auf die dreißig, vielleicht war er auch schon älter. Die Natur hatte ihm jugendlich gutes Aussehen in die Wiege gelegt. Eine künstlerisch angehauchte Friseuse sowie ein ästhetisch gesonnener Zahnarzt und möglicherweise ein teurer Hautarzt hatten dafür gesorgt, daß das Geschenk nicht vergeudet war. »Die Stationsschwester ist eine alte Freundin?«
Waterson lächelte. Auch sein Lächeln war charmant.
»Nicht so schmutzige Gedanken, Sergeant«, sagte er. »Das war keine Stationsschwester, das war meine Frau.«
Wield beschloß, sich dieses Rätsel lieber für später aufzuheben, und warf einen Blick auf die Aussage. Sie bestand aus einem absatzlosen Text, der in einer winzigen, aber sehr schönen Handschrift abgefaßt war. Sie kam Swains Fassung der Ereignisse näher als Dalziels!
Wield las das Blatt ein zweites Mal durch.
Gail Swain und ich waren seit etwa einem Monat ein Liebespaar. Es war schwierig, sich so häufig zu treffen, wie es uns am liebsten gewesen wäre, deshalb war ich begeistert, als Gail einen Plan ausheckte, der es uns erlauben würde, eine längere Zeit miteinander zu verbringen. Sie hatte vor, nach Amerika zu ihrer Mutter zu fahren, und richtete es so ein, daß sie erst später dort eintreffen würde, als sie ihrem Mann gesagt hatte. Ich wollte uns ein Hotelzimmer buchen, aber sie sagte, nein, sie würde, so bald sie könne, zu mir nach Hause kommen. Sie bliebe lieber mit mir in der Stadt. Ich glaube, sie fand es irgendwie aufregend, so in der Nähe ihres Zuhauses zu sein. Sie tauchte am vergangenen Donnerstag bei mir in der Hambleton Road auf. Ich wußte, daß sie angeblich schon am Sonntag nach Amerika geflogen war, doch sie erzählte mir nicht, was sie zwischenzeitlich getan hatte. Bei ihrer Ankunft war sie zwar in einer ziemlich merkwürdigen Verfassung, es ging aber anfangs alles noch ganz gut, nur am Wochenende wurde ich ernstlich besorgt. Das Haus hatte sie seit ihrer Ankunft nicht verlassen, sie trank viel, sah fern, hörte Platten und redete wirres Zeug. Sexuell verlangte sie immer perversere Dinge von mir, nicht, wie ich das Gefühl hatte, zur eigenen Befriedigung, sondern eher, um mich zu demütigen. Als ich ihr die Abreise nahelegte, wurde sie ausfällig und sagte, man würde sie aus dem Haus tragen müssen, so daß alle Nachbarn sie sehen könnten. In einer so schlimmen Verfassung wie letzte Nacht hatte ich sie noch nie erlebt. Als ich vernünftig mit ihr reden wollte, zog sie die Waffe und sagte, daß allein ihr Revolver die Sprache der Vernunft spräche. Ich verstehe nichts von Waffen und hatte keine Ahnung, ob sie echt oder geladen oder was immer war. Sie zielte auf mich und meinte, es wäre nett, wenn sie bei ihrem Abgang Gesellschaft hätte. Genau in diesem Augenblick klingelte es an der Tür, und als ich nach unten ging, um nachzusehen, stand Philip Swain, ihr Mann, davor. Ich war natürlich überrascht, aber auf eine merkwürdige Weise war ich auch erleichtert, daß jemand da war und die ganze Verantwortung nicht mehr auf mir allein ruhte. Spontan sagte ich ihm, was Sache war, und meine Besorgnis muß ihm echt vorgekommen sein, denn statt mir eine Eifersuchtsszene zu machen, kam er mit nach oben. Sobald Gail uns zusammen sah, wurde sie hysterisch. Sie brach in lautes Gelächter aus, beschimpfte uns, wedelte mit der Waffe herum und richtete sie erst auf uns, dann auf sich selbst. Ich näherte mich ihr, um sie zu beschwichtigen, doch sie legte die Waffe ans Kinn und sagte, wenn ich noch einen Schritt machte, würde sie sich umbringen. Ich war mir noch immer nicht im klaren darüber, ob die Waffe echt oder unecht war, sah aber, daß Gail aufgrund ihres Zustands möglicherweise versehentlich abdrücken
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