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Mord auf Widerruf

Mord auf Widerruf

Titel: Mord auf Widerruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Lebhaftigkeit. Wenn sie niedergeschlagen war, sprach sie manchmal davon, sich umbringen zu wollen, genauer, sich eine Kugel in den Kopf zu jagen. Ich wollte, daß sie einen Arzt aufsuchte, da sie aber von Geburt Amerikanerin war, weigerte sie sich, etwas mit englischen Ärzten zu tun zu haben, deren Ansichten und Techniken sie für mittelalterlich hielt. Sie versprach mir jedoch, einen amerikanischen Arzt aufzusuchen, sobald sie in die Staaten zurückgekehrt war. Und das war der zweite Grund, warum ich nichts zu Gail sagte. Ich wußte, daß sie in naher Zukunft in ihre Heimat Kalifornien reisen würde.
    Im Frühsommer des vergangenen Jahres war ihr Vater gestorben. Sie und er hatten sich sehr nahe gestanden, und ich glaube, nach seinem Tod setzten ihre Depressionen ein. Daß sich der Gesundheitszustand von Gails Mutter rapide verschlechterte, seit Gail nach der Beerdigung ihres Vaters nach England zurückgekehrt war, machte die Situation noch schlimmer. Ich glaube, Gail machte ihrer Mutter Vorwürfe wegen des Todes ihres Vaters und hatte sich keine Mühe gegeben, ihre Meinung zu verbergen, und nun hatte sie Schuldgefühle. Doch meine Beobachtungen sind notwendigerweise die eines Laien. Fest stand für mich nur, daß ihre Verfassung wenig stabil war, jedoch alles darauf hindeutete, daß ihre Rückkehr nach Los Angeles eine Veränderung zum Guten bringen würde, da sie sich mit ihrer Mutter aussprechen und ihren Hausarzt würde aufsuchen können.
    Sie sollte am Sonntag, den 8. Februar fliegen. Ich hatte ihr angeboten, sie nach Heathrow zu bringen, aber trotz der milden Wetterlage machte sie sich Gedanken über den Zustand der Straßen und wollte den Zug nehmen. Mein Angebot, sie zu begleiten, lehnte sie mit der Bemerkung ab, sie wisse, wieviel ich zu tun habe, und als ich darauf bestand, fragte sie ärgerlich, ob ich sie für unfähig halte, eine einfache Zugfahrt allein zu machen. Da lenkte ich ein und ging tatsächlich am Sonntagmorgen auf die Baustelle, um das gute Wetter zu nutzen, was dazu führte, daß ich nicht mitbekam, wie sie das Haus verließ. Darum war ich erleichtert, als sie mich am nächsten Tag angeblich aus Los Angeles anrief, um mir mitzuteilen, daß sie sicher angekommen sei.
    Ich hörte nicht weiter von ihr, nur rief mich einige Male eine Frau an und verlangte, Gail zu sprechen. Als ich sagte, sie sei nicht in England, hüstelte sie ungläubig und legte den Hörer auf. Am frühen Abend des heutigen Tages rief sie erneut an. Ich bin sicher, daß es dieselbe Frau war, sie klang jung und sprach mit einem Anflug des hiesigen Akzents. Sie fragte mich, ob ich noch immer glaube, daß Gail in Amerika sei. Ich erwiderte, ja, natürlich. Sie sagte, daß ich mich täusche, und wenn ich Gail sehen wolle, brauchte ich nur zur Hambleton Road Nummer 18 zu fahren. Dann legte sie auf.
    Sofort rief ich bei Gails Mutter in LA an. Ich erreichte die Haushälterin und Pflegerin, die meine Schwiegermutter, Mrs. Delgaldo, nach ihrer Erkrankung eingestellt hat. Von ihr erfuhr ich, daß Gail nicht eingetroffen sei, sondern telegraphisch mitgeteilt habe, sie bliebe eine Weile bei Freunden an der Ostküste und würde sich melden, wenn sie käme. Niemand sei darüber erstaunt gewesen, weil Gails impulsive Art allgemein bekannt war. Ich tat so, als nähme ich die Sache auf die leichte Schulter, und legte der Pflegerin ans Herz, Mrs. Delgado nichts von meinem Anruf zu sagen, da ich sie nicht beunruhigen wolle. Ich selbst machte mir jedoch große Sorgen und konnte an nichts anderes mehr denken, als mich zur Hambleton Road zu begeben.
    Ich kam um 22 Uhr 30 dort an. Es brannte Licht, aber Mr. Waterson brauchte lange, bis er die Tür öffnete. Als er sah, wer davorstand, bekam er zuerst einen Schreck. Dann sagte er: »Sie wissen Bescheid, nicht wahr?« Und kaum hatte er die Worte ausgesprochen, wußte ich, was los war.
    Es war merkwürdig, daß ich nicht wütend wurde, vielleicht weil ich das Gefühl hatte, daß er fast erleichtert war, mich zu sehen. Er sagte: »Treten Sie ein.« Ich sagte: »Wo ist sie?« Er sagte: »Sie ist oben. Aber stürzen Sie nicht hinauf, sie ist in einer merkwürdigen Verfassung.« Ich fragte, was er damit sagen wolle, und erfuhr, daß sie getrunken habe und davon spreche, sich umzubringen. Ich sagte: »Dann treibt sie dieses Spielchen auch mit Ihnen? Was für ein Pech« oder so ähnlich. Und er sagte: »Soll das heißen, daß Sie sie in diesem Zustand schon erlebt haben? Das erleichtert mich. Doch

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