Mord auf Widerruf
geistliche Paar war fast in einen leichten Trab verfallen, um mit den langen Beinen Schritt zu halten, so daß es zu einem kleinen Zusammenstoß kam, als Eileen Chung plötzlich stehenblieb.
»Immer langsam mit den jungen Pferden, Herr Kanonikus!« sagte Eileen Chung liebenswürdig.
»Weder sind die Pferde jung, noch lassen sie sich so leicht an die Kandare nehmen«, sagte Horncastle zum Erstaunen seiner Frau. Er versuchte selten, witzig zu sein, und wenn, dann begnügte er sich allenfalls mit einem ciceronischen Tropus. Ein Verdacht keimte in Dorothy auf, den sie jedoch sofort wie einen ungehörigen Gedanken bei der Kommunion beiseite schob.
Vielleicht hatte ihr Mann ihre Gegenwart heute morgen nicht einfach deshalb gewünscht, um ein Sprachrohr der Laien (seine Formulierung) bei sich zu haben, sondern weil er einen Anstandswauwau brauchte!
Bisher hatte erst eine Vollversammlung des Mysterienkomitees stattgefunden, und die hatte so lange gedauert wie eine ungekürzte Fassung des »Hamlet«, ohne dabei annähernd so ergötzlich zu sein. Die kombinierten Ergüsse eines Stadtrats, Gewerkschaftsführers, Mitglieds der Handelskammer, Mediävisten, Journalisten und des Stiftsherrn hatten selbst die Regiekünste Eileen Chungs überfordert, und sie hatte beschlossen, sich die Ausschußmitglieder in Zukunft nur noch einzeln vorzuknöpfen. In der Diözese gab es viele weltlicher gesinnte, lebensfrohere Kleriker, die die Hälfte ihres Zehnten hingegeben hätten, um bei einem solchen Projekt als religiöse Ratgeber fungieren zu dürfen, aber Eileen Chung hatte ihre Hausaufgaben gemacht und wußte, daß Horncastle der richtige Mann war. Inoffiziell designierter Thronfolger des greisen Dekans, war er in allen Angelegenheiten, bei denen es um geweihte Stätten und Gebäude ging, eine Schlüsselfigur im Domkapitel, und es hieß, der Bischof habe eine hohe Meinung von ihm, was, wie ihr Vertrauensmann und Dolmetscher ihr versicherte, anglikanisch für: »hat eine Scheißangst vor ihm« war.
»Ich dachte, diese Stelle hier wäre gut für einen der Auftritte geeignet«, meinte Eileen Chung. »Die Sonne wird zu dieser Tageszeit hinter dem Kornmarkt hervorkommen und den Wagen wie ein Scheinwerfer beleuchten.«
»Wenn es das Wetter gut mit uns meint«, warf der Stiftsherr ein.
»Da verlasse ich mich ganz auf Sie«, lachte Eileen Chung.
Dorothy Horncastle wartete auf den Tadel ihres Mannes ob der meteorologischen Blasphemie, doch der blieb aus. Statt dessen verzogen sich seine schmalen Lippen zu einem schauerlich albernen Lächeln.
Der unglaubliche Gedanke, daß er vielleicht tatsächlich des Schutzes bedürfen könnte, stieg erneut in ihr auf! Nicht sexuell, denn gegen den Frost in diesen Lenden konnte mit Sicherheit auch lodernde Lust nichts ausrichten, doch im Köcher dieser Heidin steckten noch andere Pfeile. War sie, Dorothy, nicht heute morgen zu ihrer leichten Verwirrung Zeugin geworden, wie Eustace in Erinnerungen an seinen Triumph im Priesterseminar schwelgte, als er bei der »Samson Agonistes«-Revue mitgewirkt hatte? Wenn Luzifer stürzen konnte, warum dann nicht ein kleiner Stiftsherr?
Es war höchste Zeit, daß seine Frau ihm pflichtschuldigst zur Rettung eilte.
Sie sagte: »Werden sich die Marktleute nicht dagegen sträuben, daß ihre Kundschaft zum Publikum umfunktioniert wird?«
Horncastle musterte sie kalten Blicks, und noch nicht einmal der Anflug eines albernen Lächelns verzog nun die harte Linie dieser Lippen.
»Ich denke, du wirst feststellen, daß der Montag auch unter normalen Bedingungen kein Markttag ist. Und wenn er obendrein ein Feiertag ist, dürfte es noch unwahrscheinlicher sein, daß auf dem Markt Geschäfte abgewickelt werden, findest du nicht auch, meine Liebe?«
Der schneidende Sarkasmus, obwohl kaum neu, hatte noch immer die Macht zu verletzen. Eileen Chung, die ein feines Gespür für Dramen hatte, mischte sich rasch ein.
»Hat er Ihnen nicht erzählt, daß wir uns auf der Versammlung über unseren endgültigen Zeitplan einig geworden sind? Das ist mir ein rechter Mann! Denkt, wir könnten alle Gedanken lesen! Wir haben uns für die erste Juniwoche entschieden, in die das Fronleichnamsfest fällt, der traditionelle Aufführungstag der Mysterienspiele, und dieses Jahr fällt der Frühlings-Bankholiday zufällig auch in diese Woche, und das bedeutet, daß wir am Montag unsere große Eröffnungsprozession abhalten können, ohne daß uns der Straßenverkehr ins Gehege kommt. Auf diese Weise
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