Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord auf Widerruf

Mord auf Widerruf

Titel: Mord auf Widerruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
und fragte sich, wie Marwood auf die Szene reagiert hätte, in die er vor wenigen Minuten geplatzt war. »Wie lange leben die beiden schon getrennt?«
    »Nicht lange. Sie ist ins Schwesternwohnheim gezogen. Entschuldigen Sie.«
    Ein Pieper hatte sich in seiner Tasche gemeldet. Er stellte ihn ab und ging ans Telefon.
    »Gut«, sagte er einen Augenblick später. Er legte den Hörer auf. »Ich muß los. Hören Sie, rein medizinisch gesehen kann Waterson entlassen werden. Aber ganz unter uns und streng vertraulich würde ich sagen, der Kerl gehört zum Mahlen in die Klapsmühle.«
    Er ging. Wield dachte eine Weile über das nach, was er soeben gehört hatte. Marwoods Gefühle gegenüber Waterson waren eindeutig dieselben wie Dalziels für Swain. Ausgeprägte Antipathien begünstigten Vorurteile und trübten das Urteilsvermögen. Mit Vorurteilen kannte Wield sich aus und hoffte, er würde, wenn es nötig würde, seine Stimme dagegen erheben. Doch im Augenblick wurde nichts weiter von ihm verlangt, als Waterson Dalziel zum Fraß vorzuwerfen.
    Er ging wieder zurück auf die kleine Nebenstation.
    Sie war leer.
    Plötzlich fühlte sich sein Herz an, als gehörte es auf die Intensivstation. Er ging zur Stationsschwester. Sie bedachte ihn mit ihrem Lächeln.
    »Wo ist Mr. Waterson, Schwester?«
    »Ist er denn nicht in seinem Bett?«
    »Nein.«
    »Vielleicht ist er auf dem Klo. Oder vielleicht duscht er gerade.«
    »Sie haben ihn nicht gesehen? Waren Sie die ganze Zeit hier, seit wir uns unterhalten haben, meine ich?«
    Er mußte anklagend geklungen haben.
    »Natürlich nicht. Ich habe doch Dr. Marwood für Sie geholt«, entgegnete sie.
    »Wo ist die Toilette? Und wo die Dusche?«
    Die Toilette lag näher. Sie war leer. Doch im Duschraum stieß Wield auf einen Schlafanzug, der über eines der Abteile drapiert war. Entweder wanderte Waterson nackt durch die Gegend oder … Er kehrte zur Schwester zurück.
    »Was geschieht bei der Einlieferung mit den Kleidern?«
    »Sie werden zusammengefaltet in das Schließfach im Nachttisch des Patienten gelegt«, sagte sie.
    Das Schließfach war leer.
    »Scheiße«, sagte Wield. Vor wenigen Monaten war bei dem Fall, der zu Pascoes Beinbruch führte, ein Verdächtiger aus dem Krankenhaus entkommen, und Dalziel hatte den verantwortlichen Beamten noch einige Punkte tiefer als PC Hector eingestuft. Doch kein vernünftiger Mensch konnte ahnen, daß ein bloßer Zeuge, der freiwillig eine Aussage gemacht hatte, sich absetzen würde!
    Dann tauchten Dalziels Züge vor Wields geistigem Auge auf, und Vernunft war kein Thema mehr.
    »So eine Schweinerei«, sagte er noch einmal. Aus irgendeinem Grund schaute er auf sein Revers. Das winzige Schneeglöckchen war verwelkt. Er entfernte es aus dem Knopfloch und zerdrückte es in der Hand. Mit unstetem Schritt ging er langsam zurück zum Telefon.

Drei
    R everend Eustace Horncastle liebte die Genauigkeit. Dieser Eigenschaft und weniger seinen intellektuellen Qualitäten hatte er es zu verdanken, daß er es zu bescheidenem Ruhm als bescheidener Stiftsherr gebracht hatte. Als er folglich zu seiner Frau sagte: »Die Frau ist Heidin«, wußte sie, daß seine Wortwahl wohlüberlegt war. Dennoch wagte sie es, ihm die Stirn zu bieten.
    »Sicherlich ist sie nur überschwenglich, theatralisch und lebenslustig«, sagte sie mit der neidischen Wehmut einer Frau, die keine Illusionen darüber hatte, daß alles, was sie selbst einst gewesen sein mochte, seit Jahren verkümmert war.
    »Heidin«, wiederholte der Stiftsherr mit einer Emphase, die bei einem moralisch weniger gefestigten Mann genüßlich geklungen hätte.
    Beim Anblick ihres Gesprächsgegenstands, der mit festem Schritt vor ihnen den Marktplatz überquerte, brachte es Dorothy Horncastle nicht über sich, ihrem Mann noch einmal zu widersprechen. Eileen Chungs silbernes Lurex-Haarband erinnerte zwar an einen Heiligenschein, und der Umhang mit den Purpurstreifen, den sie um die Schultern gelegt trug, mochte etwas von einem Meßgewand haben, doch auf der Suche nach dem Leibhaftigen ist man gut beraten, bei den Füßen zu beginnen, und die mit Tierkreissymbolen bedruckten Mokassins, deren Lederriemen in je eine goldene Wade bissen, hätten ausgereicht, um ein auserwähltes Volk in Versuchung zu führen, und ließen an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig. Das war Heidentum in Reinkultur. Hätte man es auf Flasche ziehen können, die Frau des Stiftsherrn wäre nicht abgeneigt gewesen, eine zu kaufen.
    Das

Weitere Kostenlose Bücher