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Mord auf Widerruf

Mord auf Widerruf

Titel: Mord auf Widerruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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gern gut leben täte,
    Und wenig auszugeben hat.
     
    Towneley-Zyklus,
    Das Spiel vom zweiten Hirten

28. Februar
    Lieber Mr. Dalziel,
    ich bin noch da. Ich beneide Sie um Ihren Beruf. Sie mögen nicht siegen, doch wenigstens verbringen Sie Ihre Zeit damit, mit Nachdruck gegen das menschliche Leid anzutreten. Ich betrachte mein Leben und frage mich, wie ich dort hingelangt bin, wo ich bin. Steht es in den Sternen? Liegt es in den Genen? Oder gibt es eine Entscheidung, die, wäre sie anders ausgefallen, alles geändert hätte? Nun, es gibt keine Methode, das auszuprobieren. Das, was man wahrnimmt, ist das, was man ist. Was die Welt wahrnimmt, steht auf einem ganz anderen Blatt. Vielleicht sehe ich Sie total falsch, wie die Welt wahrscheinlich mich total falsch sieht. Vielleicht sind auch Sie unsicher, verwirrt und unglücklich.
    Nein! Ich kann es, ich will es nicht glauben! Nicht Superintendent Dalziel! Ich will damit nicht sagen, daß Sie es nicht entsetzlich finden, daß so viele Menschen in unserer schönen Welt so grausam umkommen, aber ich bin sicher, Sie empfinden es als Segen, daß Ihnen die meisten egal sind! Sie hätten Alnoth, dessen Namenstag heute ist, wahrscheinlich für verrückt gehalten, als Einsiedler in einem Wald zu hausen, aber Sie hätten Bäume ausgerissen, um die Räuber zu fassen, die ihn umbrachten!
    Tja, das ist nun schon lange her. Wenn man zurückschaut, ist der Fortschritt der Menschheit am leichtesten nachzuzeichnen, indem man der Blutspur folgt. Wenn man nach vorn schaut … gibt es etwas, worauf man sich freuen kann? Ja, natürlich, da gibt es den Ball des Bürgermeisters, der dieses Jahr dem Thema Tod in Würde gewidmet ist. Wie passend. Kann ich daran teilnehmen? Lassen Sie mich meinen Kalender zu Rate ziehen. Ja, ich dürfte dann noch unter den Lebenden weilen. Wie steht es mit Ihnen? Ich hoffe sehr, Sie kommen. Wer weiß, vielleicht können wir den letzten Walzer zusammen tanzen!

Eins
    D er März begann lammfromm. Nach unten auf ihre Ausdrucke schielend und nach oben zu ihren Krähennestern hinauf, sagten die Meteorologen allerdings voraus, dieses Lamm würde noch ganz heftig mit dem Schwanz wedeln.
    Sergeant Wield, an dem die Spätschicht hängengeblieben war, machte sich nicht viel Gedanken über das Wetter draußen, solange er drinnen seine Ruhe hatte, doch um halb elf ging das Telefon, und eine Stimme, die ihm irgendwie bekannt vorkam, sagte: »Sie suchen Waterson? Versuchen Sie’s im ›Erlösten Pilger‹.«
    Die Leitung war tot. Wield rief die Vermittlung an.
    »Der Anruf eben, war der für mich persönlich oder nur für die Kripo?«
    »Sie wurden verlangt, Sergeant.«
    Wield stand auf und zog seinen Mantel an. Nun war das Wetter doch ein Faktor geworden. Eine feuchtschwüle Nacht rieb sich an seiner Fensterscheibe. Doch eine Spur, die in einem schön warmen Wirtshaus begann, konnte Gott weiß wohin führen. Oder nirgendwohin.
    Die Kneipe »Zum Erlösten Pilger« stand an der alten Stadtmauer in einem Viertel, dessen Niedergang knapp vor der völligen Auflösung haltgemacht hatte und wo man sich nun verzweifelt bemühte, der hauptsächlich viktorianischen Bausubstanz neues Leben einzuhauchen.
    Die Kneipe reichte jedoch viel weiter zurück. Einer Legende zufolge verstarb hier ein berühmter Sünder auf seiner Wallfahrt zur Kathedrale, bevor er den heiligen Schrein erreichte und Vergebung erlangte. Als Zeichen für Gottes grenzenlose Gnade schlug jedoch wunderbarerweise sein Pilgerstab an der Stadtmauer Wurzeln. Eine profanere Erklärung für den Namen geht dahin, daß die durstigen Heiden aus dem Norden nach ihrer weiten Reise als erstes in diesem Gasthaus von ihrem Durst erlöst wurden.
    Sünder geisterten noch fünfhundert Jahre später herum, und erlöst werden wollten sie von den unterschiedlichsten Dingen, aber auch immer mehr gesetzte Bürger trafen sich hier auf der Suche nach Atmosphäre. Welcher Kategorie Waterson angehören mochte, darüber zerbrach sich Wield noch nicht den Kopf. Er hatte schon viel zu viel Zeit auf anonyme Hinweise verschwendet, um noch mehr mit müßigen Spekulationen zu vergeuden.
    Doch der heutige Abend war keine Zeitverschwendung. Als er sich dem Gasthaus näherte, ging die Tür auf und spuckte Licht, Musik und ein Pilgerquartett auf den Gehsteig. Darunter erkannte er in dem kurzen Moment, bevor die ins Schloß fallende Tür das Licht abschnitt, den Mann, den er suchte. Bisher hatte er ihn zwar erst einmal gesehen, aber Dalziels massive

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