Mord auf Widerruf
tun.«
»Jemand, der vierundzwanzig Stunden am Tag arbeitet, sollte über Pflichtbewußtsein nicht spotten, Doktor«, sagte Wield. »Wie geht es Mrs. Waterson?«
»Warum fragen Sie?« erwiderte Marwood gereizt.
»Als wir uns das letzte Mal unterhielten, kam sie mir etwas angespannt vor«, erwiderte Wield.
»Und machen Sie ihr das zum Vorwurf?« verlangte der Arzt zu wissen. »Suchen Sie Waterson. Sobald Sie ihn aus dem Verkehr gezogen haben, geht es ihr gut, das können Sie mir glauben.«
Es lag am Echo der Worte, daß es bei ihm Klick machte … suchen Sie Waterson … Sie suchen Waterson …
»Warum haben Sie mich heute abend angerufen, Dr. Marwood?« fragte Wield beiläufig.
»Sie angerufen? Wovon reden Sie?« sagte der Arzt ohne großen Nachdruck oder Überraschung.
»Alle eingehenden Anrufe werden aufgezeichnet«, log Wield. »Es ist ein leichtes, das zu überprüfen.«
Marwood leugnete nicht länger. Es war fast, als wäre er froh, nicht mehr lügen zu müssen. »Okay, Sie haben recht«, sagte er. »Es tut mir leid, daß ich es anonym gemacht habe, aber so läuft das doch bei Ihnen, oder? Es ist egal, wer den Tip gibt, solange er gut ist.«
»Der hier war gut«, räumte Wield ein. »Das Problem ist, daß es nicht geklappt hat.«
»Er ist Ihnen wieder durch die Lappen gegangen, wollen Sie sagen? Das hat doch nicht etwa er gemacht? Nicht dieser Schwächling?«
»Auf mich machte er den Eindruck, als sei er eigentlich ganz schön fit.«
»Körperlich vielleicht. Aber er hätte nicht den Mumm, Sie zusammenzuschlagen, noch nicht einmal, wenn er einen seiner Anfälle hätte.«
»Anfälle?«
»Er kann manchmal ganz schön jähzornig werden. Man denkt, gleich reißt er einem den Arm ab. Doch wenn man nur laut ›Buh!‹ macht, nimmt er die Beine unter den Arm. Der Typ hat ein riesiges Mundwerk.«
»Wie wußten Sie, daß er im ›Pilger‹ sein würde?« fragte Wield.
»Hab ich gehört«, sagte Marwood. »Ein anonymer Tip. Ich hab ihn
nicht
auf Band.«
Er grinste beim Reden, doch Wield grinste nicht zurück. Es wäre schmerzhaft gewesen, und es fiel den Leuten im allgemeinen sowieso nicht auf.
Er sagte: »Mrs. Waterson vermutlich.«
»Mrs. Waterson hat nichts damit zu tun.« Marwood hatte aufgehört zu grinsen.
»Und ich vermute, sie hatte auch nichts damit zu tun, als Waterson ausrastete und Sie ›Buh!‹ machen mußten.«
»Vielleicht ja doch, aber was bringt Ihnen das?« Marwood zwang sich sichtlich, locker zu bleiben. »Sehen Sie, Mann, es war nichts Besonderes. Eine Krankenhausfete. Ich habe ein paarmal mit ihr getanzt. Ich mag sie, sie tanzt wunderbar. Er hatte ein paar Glas getrunken, ist mir auf die Toilette gefolgt und hat losgelegt, als hätte er uns beim Vögeln erwischt oder so. Einen Augenblick lang war ich richtig in Sorge, bis er etwas über Nigger sagte, was mich so aufbrachte, daß ich ihn angebrüllt habe, und daraufhin hat er so schnell eine Fliege gemacht, daß ich ihn noch nicht einmal mit dem Fahrrad eingeholt hätte. Als ich den Vorfall Pam gegenüber erwähnte, sagte sie, daß so etwas bei ihm fast zur Tagesordnung gehört.«
»Bei Leuten, auf die er eifersüchtig ist?«
»O nein. Um eifersüchtig zu werden, hatte er meistens viel zu viel mit seinen eigenen Auswärtsspielen um die Ohren. Zu diesen Ausbrüchen konnte es überall und jederzeit kommen. Ihretwegen hat er seine Stelle eingebüßt. Er ist wegen irgendeiner Sache ausgerastet und hat seinen Chef angeschrien. Es war nicht das erste Mal, aber bislang war er immer mit einem blauen Auge davongekommen. Er war gut in seinem Job, und sie haben wegen seines Künstlertemperaments gewisse Kompromisse gemacht. Doch dieses Mal war er zu weit gegangen, und sie haben es ihn wissen lassen. Also explodierte er gleich noch einmal, schrie, er werde sich selbständig machen, und nahm den Hut.«
»Sie müssen Mrs. Waterson ziemlich gut kennen, wenn sie Ihnen das alles erzählt hat.«
»Ziemlich gut, aber nicht so gut, wie Sie annehmen, Sergeant. Wir sind kein Paar. Sie braucht jemanden, bei dem sie sich ausweinen kann, dem sie vertrauen kann. Und ich erzähle Ihnen das alles nur, damit Sie sie nicht mit Fragen belästigen. Sie macht schwere Zeiten durch, und es fehlt nicht mehr viel, und sie bricht zusammen.«
Wield seufzte. Warum dachten die Leute nur, daß Sensibilität ein Schutz gegen eine Befragung durch die Polizei sei, besonders wenn es eine Tote gab und die beiden Männer, die in ihren Tod verwickelt waren, frei
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