Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
über die Straße und den von Herbstlaub übersäten Kirchhof mit seinen schiefen, von Flechten überwucherten Grabsteinen und den längst nicht mehr zu entziffernden Inschriften und betraten die Vorhalle vor dem Haupteingang.
Der Schlüssel war riesig und sicher fast genauso alt wie das massive Eichentor, dessen Schloss er aufsperrte. Sie stiegen ein paar Stufen hinunter zu dem mit Steinplatten gefliesten Boden. Von außen mochte die Kirche heruntergekommen aussehen, doch das Innere war offensichtlich liebevoll gepflegt und wurde von einer Gruppe treuer Helfer instand gehalten. An den Wänden gab es Gedenktafeln für die gefallenen Söhne von Familien, die längst nicht mehr in Weston St. Ambrose lebten. Eine kunstvolle Figurengruppe zierte ein Grabmal aus dem frühen siebzehnten Jahrhundert. Ehemann und Ehefrau, vornehm gekleidet, auch wenn die aufgemalten Farben längst verblasst waren, lagen im Tod Seite an Seite, begleitet von einem winzigen Säugling in Schwarz, der glückselig lächelte.
»Sie starb während der Geburt, verstehen Sie?«, sagte Monica und deutete auf die Inschrift an der Seite des Grabmals. »Damals starben viele Frauen bei der Geburt ihrer Kinder. Das Baby starb ebenfalls. Er hat das Grabmal für sie und das Kind erbauen lassen und sein restliches Leben darauf gewartet, sie am Ende wiederzusehen. Er lebte noch fünfzig Jahre, wie hier zu lesen steht.« Sie tätschelte das schwarz verhüllte Baby. »Immer, wenn Millie mich besucht hat, wollte sie unbedingt hierher und das Baby sehen. Kinder sind manchmal eigenartig.«
»Millie?«, fragte Jess.
Für einen Moment blickte Monica verlegen drein. »O du liebe Güte. Millie ist Ians Tochter. Sie ist inzwischen sicher schon elf. Sie war seit einer Weile nicht mehr bei mir. Sophie, ihre Mutter, hat wieder geheiratet, und sie hat ihr Leben und das von Millie völlig umgekrempelt. Ich überlege, ob ich Sophie bitten soll, Millie für eine Weile zu mir kommen zu lassen, jetzt, wo Ian in der Nähe lebt. Dann kann er vorbeikommen und Zeit mit ihr verbringen. Oh, vielleicht wussten Sie gar nicht, dass er geschieden ist?« Sie sah Jess nervös an.
»Ich wusste von seiner Scheidung«, antwortete Jess. »Aber nicht, dass er eine Tochter hat.«
»Ich verstehe. Nun, jetzt wissen Sie's, und ich wüsste auch nicht, was daran geheim sein soll«, sagte Monica. »Ich bin sicher, Ian hat nichts dagegen, dass ich es Ihnen erzählt habe.«
Draußen hatte es aufgehört zu regnen, doch die Luft war erfüllt von einem penetranten Gestank.
»Füchse«, sagte Monica, als sie sah, wie Jess schnüffelte und eine Grimasse schnitt. »Ich mache mir Sorgen um Henry, den schwarzen Kater. Er ist schon ziemlich alt, und ich weiß nicht, was passiert, wenn er des Nachts hier auf Mäusejagd geht und einem Fuchs begegnet. Andererseits kann ich ihn nicht einsperren - er miaut die ganze Nacht, bis ich nachgebe. Sein Bruder Mickey ist ganz anders. Er geht kaum raus, und nach Einbruch der Dunkelheit niemals. Abgesehen davon lassen die Hemmings ihre Terrier auf ihren sogenannten Spaziergängen frei über den Kirchhof laufen, und wenn sie Henry erwischen, dann hat er wohl kaum eine Chance. Ich habe Mrs. Hemmings gesagt, dass sie ihre Terrier auf dem Kirchhof an die Leine nehmen soll, nicht nur wegen der Katzen. Wenn sie irgendwo einen Fuchsbau wittern, dringen sie in das Loch ein und bleiben womöglich stecken. Sie wollte mir nicht glauben. Sie meint, ihre Hunde würden sich nicht für Füchse interessieren. Sie redet ständig so ein dummes Zeug. Ich habe sie darauf hingewiesen, dass es Jack-Russell-Terrier sind, eigens gezüchtet, um Füchse aus ihrem Bau zu graben. Es liegt ihnen im Blut, sozusagen. Sie hat mich nur verständnislos angeglotzt.«
Vor Monicas Cottage verabschiedete sich Jess von ihrer Gastgeberin. Sie stieg in ihren Wagen und fuhr langsam durch das Dorf, während ihre Gedanken bei dem waren, was sie soeben erfahren hatte. Wenn Carter befürchtet hatte, Monica könnte über private Dinge schwatzen, dann waren diese Bedenken durchaus begründet. Auf der anderen Seite war die Existenz einer elfjährigen Tochter kaum etwas, das man geheim hielt.
Sie glitt in gemächlichem Tempo an der alten Schule vorbei. Das Haus lag völlig im Dunkeln. Waren die Hemmings möglicherweise schon in den Urlaub nach Marbella gefahren, von dem Terri gesprochen hatte? Hoffentlich nicht - sie hatten unter Umständen noch eine Reihe von Fragen an Billy Hemmings. Sie hatte fast die Grenze der
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