Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
hinunter? Wenn er auf der Hauptstraße war und ihm übel wurde, warum fuhr er nicht einfach an den Straßenrand und hielt das nächste vorbeikommende Fahrzeug an?«
»Er war verwirrt ... er suchte nach einer menschlichen Behausung und schneller Hilfe ...« Morton zuckte die Schultern.
»Schön. Wer hat ihm die tödliche Überdosis ins Essen gemischt?«, fragte Carter. »Wer hat seine letzte Mahlzeit manipuliert? Es war jedenfalls nicht Pascal oder seine Geliebte.«
»Wir wissen, dass wir es mit zwei getrennten Begebenheiten zu tun haben«, beharrte Morton. »Eine Person manipulierte Taylors letzte Mahlzeit mit zerstoßenen Pillen. Wir wissen nicht, wer diese Person war. Aber wir wissen, dass Taylor irgendwie den Weg nach Balaclava House gefunden hat. Ich schätze, es ist so gewesen, wie ich es sage. Pascal und Mrs. S. brachten ihn nach drinnen und ließen ihn dort allein zurück.«
Aber so war es nicht!, dachte Jess. Phil denkt, er hätte den Fall geknackt, aber ich bin sicher, dass er sich irrt. Sebastian Pascal und Rosie Sneddon hätten dem Toten nicht die Taschen geleert. Warum hätten sie versuchen sollen, die Identifikation des Mannes zu verzögern? Phils Theorie klingt plausibel, aber sie verlässt sich zu sehr auf Spekulationen, was zwei andere Personen getan haben und was nicht. Sie blickte flüchtig aus dem Fenster und auf den wenig erbaulichen Anblick des Parkplatzes mit seinen Reihen von Autos aller möglichen Marken - selbst ein Lexus stand dort unten, von dem sie wusste, dass er Carter gehörte. Die blasse herbstliche Nachmittagssonne neigte sich bereits dem Horizont entgegen. Ein Strahl traf das Fenster und wärmte ihr Gesicht. Die unerwartete Grellheit ließ sie blinzeln, und sie wandte den Kopf ab. Als sie die Augen wieder öffnete, stellte sie fest, dass beide Männer sie ansahen und auf einen Kommentar von ihrer Seite warteten. Morton blickte selbstgefällig drein wie jemand, der soeben einen schwierigen Zaubertrick vollbracht hatte. Carters Blick aus grün-braunen Augen war schwieriger zu deuten.
»Ich glaube das nicht.« Sie sprach entschieden, und Morton bedachte sie mit einem vorwurfsvollen Blick. Er war ein Zauberkünstler, dem der verdiente Applaus versagt wurde, und sie war eine Kollegin, die ihm die Unterstützung verweigerte. »Tut mir leid, Phil«, fügte sie hinzu, weil sie seine Enttäuschung spürte. Doch sie war nicht der gleichen Meinung wie Morton, und sie konnte seine Theorie nicht unwidersprochen stehen lassen.
Carter, der die beiden beobachtete und wahrscheinlich ihre Gedanken las, hob die Augenbrauen. »Ja?«
»Es ist dieses Haus, Sir«, sagte Jess. »Irgendwie glaube ich, das Haus ist der Schlüssel. Taylor ist nicht einfach hineingestolpert, genauso wenig, wie er von Rosie Sneddon und Seb Pascal nach drinnen geschleift wurde, nur weil sie zufällig dort waren und im Begriff standen zu gehen, als er draußen zusammenbrach. Nein. Taylor war dort, weil er dort sein wollte - oder weil jemand anders ihn dort haben wollte. Balaclava House hat seine Geheimnisse.«
K APITEL 13
Jess hatte keine Vorstellung, wie sie Pete Sneddon ihren Wunsch erklären sollte, dass sie sich unter vier Augen mit seiner Frau unterhalten wollte. Die lange Periode trockenen Wetters war endgültig zu Ende. Während der Nacht hatte es ausdauernd geregnet, und am Morgen um die Frühstückszeit war erneut ein schwerer Schauer niedergegangen. Der Straßenbelag glänzte vor Nässe. Manchmal glitzerte er im Licht der tiefstehenden Sonne so stark, dass Jess für einen Moment geblendet die Augen schloss. Sie nahm eine Hand vom Lenkrad und klappte die Sonnenblende herunter. Hoffentlich hatte der letzte Schauer Sneddon nicht veranlasst, auf dem Hof zu bleiben. Besser, wenn der Farmer aus dem Weg war, irgendwo auf seinen Feldern weitab vom Schuss, und Rosie allein zu Hause saß.
Jess bog in die Toby's Gutter Lane ein. Der Regen hatte die vielen Schlaglöcher mit schlammigem Wasser gefüllt. Nicht lange, und der Wagen sah aus wie ein Armeefahrzeug, getarnt mit khakifarbenen Flecken. Sie würde ihn so schnell wie möglich waschen müssen, doch nicht an der Tankstelle von Seb Pascal.
Als sie Balaclava House erreichte, verringerte sie ihr Tempo bis auf Schrittgeschwindigkeit, um das verlassene Gebäude zu betrachten. Es war ein trostloser, einsamer Anblick. Eine Atmosphäre von Traurigkeit sprang einem förmlich entgegen. Einst war es Ausdruck von Hoffnung und Zuversicht gewesen, dem Erfolg eines aufstrebenden
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