Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
von Rosie Sneddon war keine Spur zu sehen. Die Wäsche war tropfnass und offensichtlich vor dem morgendlichen Regenguss aufgehängt worden. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, sie ins Haus zu holen.
Sie ging zur Hintertür und klopfte dort, mit dem gleichen Ergebnis. Dann legte sie den Kopf an das Holz und lauschte. Sie meinte, ein leises Klopfen von drinnen zu hören, wie ein Echo.
Sie klopfte erneut, lauter diesmal.
Von drinnen kam definitiv eine Antwort.
Jemand versuchte sich bemerkbar zu machen, jemand, der nicht zur Tür kommen konnte, um zu öffnen. Jess rüttelte an der Klinke, doch die Tür war verschlossen. Wenn es jemanden gibt, der sich mit den Grundlagen des Einbruchs und unbefugten Zutritts in fremde Wohnungen auskennt, dann ein Polizeibeamter. Jess inspizierte das Küchenfenster, oftmals eine Schwachstelle. Und siehe da! Es stand offen, unverriegelt und nur von einem verstellbaren Metallarm und einem Haken am Fensterrahmen gehalten, um zu verhindern, dass es im Luftzug schlug.
Jess blickte sich suchend um und fand schließlich in einem Blumenbeet neben der Tür einen Stab, der als Pflanzstütze für ein paar blühende Fuchsien diente. Weiteres Suchen förderte eine Holzkiste mit verwelkendem Gemüse zutage. Sie kippte das Gemüse aus, schleppte die Kiste zum Küchenfenster und stieg darauf.
Dann stocherte sie mit dem Stab durch den Fensterspalt, um den Haken zu lösen. Ein paar erfolglose Versuche, dann sprang der gelochte Arm aus dem Haken und flog hoch. Das Fenster ließ sich nun einfach öffnen. Jess zog sich auf das Sims hinauf und kletterte ins Innere.
Wie viele Küchenfenster befand sich auch dieses über dem Spülbecken. Jess glitt über das Sims und landete in einem großen, altmodischen Steinbecken mit kaltem seifigem Wasser darin.
»Mist!«, murmelte sie und schwang sich über den Rand. Sie landete auf dem gefliesten Boden und versuchte hastig die Nässe von ihren Sachen abzustreifen. Dann hörte sie das dumpfe Klopfen erneut. Es kam von oben und klang wie das Hämmern einer Faust auf Holz, gefolgt von einem Rattern.
Jess eilte aus der Küche in den schmalen Flur dahinter. »Ist da oben jemand?«, rief sie die Treppe hinauf. »Hier ist die Polizei!«
Erneut das Hämmern, gefolgt von einem gedämpften Schrei. Eine Frauenstimme: »Zu Hilfe! Helfen Sie mir bitte!«
Jess rannte die Stufen hinauf. Die Stimme ertönte hinter einer geschlossenen Tür eines großen Schranks oben am Ende der Treppe. Als Jess vor dem Schrank angekommen war, begann die Tür erneut zu rattern und zu zittern, als versuchte jemand von drinnen, sie zu öffnen.
»Mrs. Sneddon?«, rief Jess.
»Ja! Er ... er hat mich hier eingesperrt - Pete hat mich hier eingesperrt!«
Gott sei Dank steckte der Schlüssel noch im Schloss. Jess drehte ihn herum. Die Tür flog auf, und eine zerzauste Frau mit wild blickenden Augen landete ihr mehr oder weniger in den Armen.
Sie klammerte sich keuchend an Jess und stieß zusammenhanglose Worte aus. Jess packte sie an den Armen. »Rosie? Beruhigen Sie sich, kommen Sie - atmen Sie einmal tief durch ... und jetzt noch einmal ...! Ich bin Ihrem Mann begegnet auf dem Weg hierher. Wohin wollte er so eilig?« Doch noch während sie fragte, dämmerte ihr die Antwort, und ihr Herz machte einen schmerzhaften Satz.
»Er ist weg ... er ist zu Sebs Tankstelle gefahren!« Rosie atmete zitternd ein. »Er hat sein Gewehr mitgenommen!«
Jess war entsetzt. »Was? Was für ein Gewehr ist das?«
»Ein Schrotgewehr. Er wird Seb erschießen, und es ist alles meine Schuld!«
Rosie Sneddons Stimme klang schrill und verzweifelt.
»Morton!«, entfuhr es Jess. Herrgott im Himmel, Phil Morton war auf dem Weg zu Seb Pascal, um den Mann im Licht von Alfies Enthüllungen erneut zu befragen und herauszufinden, ob seine geliebte Theorie stimmte und Sebastian Pascal und Rosie Sneddon einen sterbenden Mann in Montys Haus geschleift hatten. Phil hatte keine Ahnung, welche Gefahr ihm drohte. Er würde keine Gelegenheit erhalten, Pascal zu befragen. Wenn Sneddon vor ihm da war, würde Phil hereinplatzen, und Sneddon würde sich gegen ihn wenden. Wenn Phil zuerst da war, würde Sneddon bewaffnet in den Laden stürmen und vielleicht blindlings um sich schießen.
Jess zerrte ihr Mobiltelefon hervor und bemühte sich vergeblich, Morton anzurufen. Er war vielleicht bereits an der Tankstelle, und alles Mögliche konnte passieren. Es war keine Zeit zu verlieren. Jess rief im Hauptquartier an. »Ein mit einem
Weitere Kostenlose Bücher