Mord im Atrium
zu bleiben.
Der Tempel des Saturn ist der älteste auf dem Forum und war von einem privaten Sponsor gestiftet worden. Wenn Sie dort stehen, wo früher die Stufen vom Tabularium hochführten – ich meine, wo der Tempel des Vespasian und Titus seither hineingequetscht wurde, im Schatten des Kapitols, und dieses Gedränge mit dem Tempel der Dei Consentes und dem Tempel der Concordia bildet –, was voraussetzt, dass Sie es ertragen können, in einem Gebiet voll so erstickender Harmonie und guten Willens zu sein, ragt der antike Schrein des Saturn direkt vor Ihnen auf. Mit Marmor verkleidet, sechseckig, geschmückt mit Tritonen, versperrt er Ihnen den Blick auf die Basilica und den Tempel des Castor. Vor sich haben Sie dann die Schiffsbuge zur Erinnerung an Seeschlachten und den Goldenen Meilenstein mit den Entfernungen zu den wichtigsten Städten der Welt, falls Sie auf einen Freund warten und Ablenkung brauchen, um nicht die Aufmerksamkeit der Prostituierten auf sich zu lenken.
Die wuchtigen Gewölbe unter dem Podium hüten den Staatsschatz. Das Podium ist hoch, um sich der Neigung des Kapitolshügels anzupassen, und die Eingangsstufen sind ungewöhnlich schmal wegen der scharfen Kurve des Clivus Capitolinus, der um den Trapeischen Felsen herum auf das Forum stößt. Wir kamen von dort zu Fuß. Ich blickte hoch, wie ich es immer tat, falls irgendwelche Verräterinnen an diesem Abend von dem Felsen gestürzt wurden. Mit Veleda in der Stadt war das durchaus möglich. In der klaren Nachtluft trugen Geräusche weit. Ich meinte sogar das Schreien der Heiligen Gänse der Juno oben auf der Arx zu hören, regierungseigenes Geflügel, dessen Prokurator ich während einer verrückten Periode staatsbürgerlicher Pflichterfüllung einst gewesen war. Über uns kreisten verängstigte Krähen und andere Vögel am dunklen Himmel, verstört durch das viele Licht auf dem Forum.
Auf den Stufen und vor dem Tempel war ein Bankett aufgebaut worden. Saturns Ebenbild, eine große, hohle Statue aus Elfenbein, war mit Öl gefüllt, damit keine Risse entstanden. Die Statue war aus dem Innenraum herausgebracht worden. Der Kopf des uralten Gottes war verschleiert, und er hielt eine gebogene Sichel in der Hand. Seine Füße waren normalerweise mit Wolle zusammengebunden (keine Ahnung, warum; vielleicht neigte das heilige Wesen dazu, in üble Kaschemmen auszubüxen). Die Wolle war für diesen Anlass zeremoniell aufgebunden worden. Öl war um die Liege getröpfelt, als er dort in Positur gebracht wurde. Die Staatssklaven, die ihn jedes Jahr hinaustrugen, waren tüchtig und ehrerbietig, aber versuchen Sie mal, eine übergroße, mit klebriger Flüssigkeit gefüllte Statue zu schleppen. Das Gewicht war beängstigend, und als der ölige Ballast hin- und herzuschwappen begann, kam die Gottheit gefährlich ins Wackeln. Die Priester waren ständig im Weg, um das Ganze zu überwachen, die Sklaven wurden sauer und verloren die Konzentration, woraufhin unvermeidbar Öl herausleckte. Sie würden ihn auffüllen, aber erst, wenn sie ihn wieder hineingetragen hatten.
Helena und ich sowie ihre Eltern waren privilegiert. Theoretisch. Die ganze Stadt sollte heute Abend teilnehmen, doch sie alle unterzubringen wäre lächerlich, und so versammelte sich die hungrige Bevölkerung rundherum in der Dunkelheit. Vespasian war ein knausriger Kaiser, der seine Pflicht verabscheute, endlose öffentliche Bankette zu veranstalten. Dieses Festmahl war ein Lectisternium, ein dem Gott geweihtes Bankett als Dank für die neue Ernte. Saturns übergroßes, graubärtiges, glupschäugiges Ebenbild präsidierte auf einer riesigen Liege, vor der Tische mit üppigen Speisen standen. Traditionsgemäß waren die Speisen üppig genug – und hatten lange genug in Küchen herumgestanden –, um den menschlichen Speisenden, die sich schließlich darüber hermachen würden (Verarmte, die hinter dem Tempel bereits hoffnungsvoll Schlange standen), heftige Magenschmerzen zu bereiten. Auf anderen Tischen, weniger opulent bestückt, standen uns glücklichen Eingeladenen mittelmäßige lauwarme Gerichte in bescheidener Menge zur Verfügung.
Wir waren angewiesen worden, in lockerer Saturnalienkleidung zu erscheinen. Was trotzdem bedeutete, etwas einigermaßen Elegantes zu tragen, da der Kaiser, Titus und Domitian anwesend sein würden. Sie würden sich unter uns mischen und so tun, als wären sie Teil einer riesigen Familie. Daher mussten wir uns eine die Rangordnung umkehrende Version
Weitere Kostenlose Bücher