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Mord im Atrium

Mord im Atrium

Titel: Mord im Atrium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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wimmelte es von Ärzten. Ich kannte nur einen, der erreichbar sein könnte. Ihn zu konsultieren ginge am schnellsten. Sobald wir Lentullus gefahrlos transportieren konnten, brachten wir ihn eilends zu den Vigiles. Ihr Außenposten lag nur zwei Straßen entfernt. Zum Glück hatte ich die Fähigkeit der Vierten Kohorte unterschätzt, sich von ihrem Saturnaliengelage zu erholen. Eine Notbesetzung tat in dieser Nacht Dienst, und einer davon war Scythax, ihr mürrischer Arzt. Er wirkte verärgert über die Störung, reagierte aber rasch.
    Wir schleppten Lentullus hinein, und Scythax machte eine Arbeitsfläche frei. Auf dem Tisch lag bereits jemand, aber der Mann war tot, und so musste er seinen Platz in der Schlange aufgeben. Die Jungs luden die Leiche im Exerzierhof ab. Zuerst standen wir um Scythax herum, aber er scheuchte uns bald hinaus. Er behielt nur Clemens bei sich, der ihm Instrumente reichen und Anweisungen entgegennehmen sollte.
    »Gibt es denn Hoffnung?«
    »Sehr wenig.« Scythax war ein sauertöpfischer Geselle.
     
    Wir setzten uns in den Hof, die Hälfte von uns auf den kalten Boden, andere auf Seilrollen. Ich probierte beides, fand es aber gleichermaßen unbequem. Glücklicherweise tauchte Sentius – auch so ein trübsinniger, merkwürdiger Typ – mit unseren zurückgelassenen Mänteln auf. Zwei fehlten. Nach dem Durchzählen stellten wir fest, dass Titus und Gaudus abgängig waren. Sollten sie bei dem Kampf gefallen sein, hatte das niemand bemerkt. Wir konnten nur hoffen, dass sie in dem Durcheinander geflohen waren – vielleicht zusammen mit Justinus.
    Wir warteten.
     
    Junge Soldaten verbringen einen großen Teil der Zeit mit Rumsitzen, während nicht viel passiert – was jedoch nicht heißt, dass sie gut darin sind. Aus Langeweile warf Lusius einen Blick auf die Leiche, die Scythax in seinem Kabuff gehabt hatte. Frischfleisch, meinte Lusius. Um was gegen meine Steifheit zu tun, stand ich auf und schlenderte zu einer professionellen Einschätzung hinüber. Der Leichnam war tatsächlich frisch. Ich hatte diesen Mann noch vor weniger als einer Stunde lebend gesehen. Es war der Landstreicher von der Via Appia, der musikalische mit dem begrenzten Repertoire. Er hatte sogar noch seine erbärmliche Eintonflöte dabei, befestigt an einem unbeschreiblich dreckigen Strick, den er als Tunikagürtel benutzt hatte.
    Nichts deutete darauf hin, wie er gestorben war. Lusius und ich drehten ihn um. Nichts.
     
    Leise ging ich zur Tür des Medizinkabuffs.
    Es war schon vor Stunden dunkel geworden, daher war die Szene von Lampen beleuchtet. Clemens hielt eine kleine Öllampe aus Ton, während der Arzt sorgfältig ein paar Stiche mit Tierdarm ausführte, um das Fleisch an Lentullus’ übel zugerichtetem Oberschenkel zusammenzuhalten.
    »Wie ist das passiert?«, fragte Scythax zwischen Nadelstichen. Mit hübschen Stickereien hatte er es nicht. Auch auf seine Nähkünste war nicht viel Verlass. Er liebte zwar Herausforderungen, doch seine normale Arbeit beschränkte sich auf Verbrennungen und Quetschwunden. Vigiles, die sich bei Unfällen Schnitte zuzogen, trugen schiefe, wulstige Narben davon.
    »Er hat versucht, bewaffnete Männer anzugreifen, ohne selbst ein Schwert zu haben.« Clemens musste gesehen haben, wie es sich abgespielt hatte. »Daher setzte er seine Füße ein. Er hat ihnen Tritte versetzt, was sie nicht fröhlich gestimmt hat.«
    »Betrunkene?« Scythax nahm an, dass es bei einem normalen Straßenkampf passiert war.
    »Nein, nein, sie waren nüchtern.« Clemens blieb diplomatisch, erwähnte die Prätorianer nach wie vor nicht.
    »Du willst das gar nicht genauer wissen, Scythax«, fügte ich leise von der Tür hinzu.
    »Tja, ich hätt’s mir denken können, wenn du darin verwickelt warst, Falco.« Scythax richtete sich steif auf, legte die Nadel weg und bog die Finger. Schatten von der Lampe ließen sein fahles orientalisches Gesicht kadaverhaft wirken unter diesem seltsamen geraden Pony, den er trug, als müsste er seine Stirn warm halten, weil ihm sonst das Hirn verkümmern würde. Mit mir sprach er immer argwöhnisch, als würde er befürchten, gleich zu entdecken, dass ich eine tödliche Infektionskrankheit in mir trug. »Ich werde diesen Mann hierbehalten. Falls er überlebt, ist es am besten, ihn nicht zu bewegen.« Er deckte die Wunde mit etwas Weichem ab, verband sie aber nur locker. Ich nahm an, dass er in regelmäßigen Abständen Zugang dazu brauchen würde. Sanft breitete er eine rauhe

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