Mord im Atrium
diese großen Schiffe seien erbaut worden, damit der verrückte Caligula an den Ritualen der Isis teilnehmen konnte. Die wahrscheinlichere Geschichte besagt, sie seien für kaiserliche Orgien bestimmt gewesen.
Ich ging hinunter zum Ufer, wo ich einen Mann fand, der behauptete, einst an Bord der Schiffe gearbeitet zu haben. Der alte Knabe verbrachte jetzt seine Tage damit, von vergangener Größe zu träumen. Und er war gewitzt genug, das laut zu tun, um milde Gaben von den Besuchern zu bekommen. Noch gelangweilter als ich, war er nach Einwurf einer halben Sesterze in einen recht hübschen Bronzekübel, den er ganz zufällig zur Hand hatte, bereit, mit mir zu reden. Er gestand, dass er den Kübel von Bord geklaut hatte. Er sprach von dreifacher Bleibeschichtung des Schiffsrumpfs und schwerer Marmorverkleidung der Kabinen und am Heck, von löwenköpfigen Pollern, revolutionären Bilgenpumpen und einem Anker mit beweglichen Fluken. Er schwor, es habe drehbare Statuen gegeben, angetrieben von bronzenen Kugellagern auf geheimen Drehscheiben. Er erzählte mir, wie diese großen zeremoniellen Barken absichtlich versenkt worden waren, als Claudius Kaiser wurde. Ich hatte von vielen schlimmen Sachen gehört, die unter Claudius geschehen waren, aber der ältliche Herrscher hatte zumindest versprochen, die Gesellschaft zu säubern. Während seiner ersten vielversprechenden Tage hatte er angeordnet, die Symbole des Luxus und der Dekadenz seines Vorgängers zu zerstören. Die Nemischiffe wurden versenkt. Und dann hatte der alte Claudius, genau wie jeder König des Hains, der um sein Schicksal wusste, sich zurückgelehnt und darauf gewartet, dass ihm Neros ehrgeizige Mutter das tödliche Pilzgericht servierte. Der verrückte alte Kaiser ist tot, lang lebe der noch verrücktere junge.
Der Gedanke an die verlorenen Schiffe deprimierte mich. Ich machte kehrt, um im Wald spazieren zu gehen. Niedergeschlagen wanderte ich umher. Plötzlich stürzte ein Mann mit einer gewaltigen Waffe hinter einem Baum hervor und auf mich zu. Mein Angreifer hatte eine plumpe Art zu kämpfen, aber er war stämmig, aufgeheizt, und als er sein großes Schwert schwang, erkannte ich Panik in seinem Blick. Es gab keinen Zweifel, sein einziger Gedanke war, mich zu töten.
XLVII
I ch hatte zwar selbst ein Schwert dabei, konnte es aber nicht sofort aus der unter meiner Achsel klemmenden Scheide ziehen. Zunächst war ich zu beschäftigt damit, auszuweichen. Bäume, hinter die man springen konnte, gab es genug, aber die meisten waren zu dünn für eine richtige Deckung. Mein Gegner hieb durch die Schösslinge mit all dem Hass eines Gärtners, der riesige Disteln abhaut.
Nachdem ich mein Schwert befreit hatte, steckte ich erst recht in der Klemme. Das Kämpfen hatte ich in der Armee gelernt. Uns war beigebracht worden, einen Schlag so gewaltsam wie möglich zu parieren, den anderen Mann durch den Stoß halb bewusstlos zu machen, sich dann auf ihn zu stürzen und ihn zu töten. Mir machte es nichts aus, diesen Wahnsinnigen direkt über den Styx zu jagen – aber der Ermittler in mir hätte zuvor doch gerne gewusst, warum diese lebensmüde Nervensäge mich angriff. Während wir herumtanzten und die Klingen klirren ließen, kam mir der ganze Aufwand sinnlos vor. Ich war kurz davor, die Sache mit einem brutalen Stoß durch seine Rippen zu beenden.
Er kämpfte wie ein Berserker. Jedes Mal, wenn ich einen Ausfall machte, gelang es ihm, mir Paroli zu bieten. Ich stach wieder zu. Er nahm es hin wie ein Gladiator, der weiß, dass er die Arena nicht lebend verlassen wird. Bald wurde es zu einem reinen Abwehrkampf; jedes Mal, wenn ich angriff, verteidigte er sich wütend. Wenn ich zurückwich, hätte er mich mit erneutem Elan angehen sollen, aber er schien seine Entschlusskraft verloren zu haben.
Schließlich setzte ich alles auf eine Karte. Ich ließ mein Schwert baumeln, die Spitze nach unten. Ich öffnete meine Arme, entblößte meine Brust für den Todesstoß. (Glauben Sie mir, ich war außer Reichweite und hielt mein Schwert fest im Griff.)
»So töte mich«, verhöhnte ich ihn.
Der Moment schien zeitlos und endlos zu sein. Dann hörte ich ihn wimmern.
Ich riss mein Schwert hoch, sprang über die Lichtung, warf ihn zu Boden und stürzte mich auf ihn. Meine Schwertspitze drückte gegen seinen Hals. Ich bemerkte, dass sie die komplizierte Goldborte einer recht geschmackvollen langen weißen Tunika aufschlitzte – was so gar nicht zu ihrem Träger passte. Er
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