Mord im Atrium
Lauben und Statuen zu ergehen, mit herrlichem Blick auf den See dahinter. Rund um den Tempel gruppierten sich andere Einrichtungen, einschließlich eines Theaters.
»Du siehst zu sehr nach Manneskraft aus«, teilte mir Helena mit. »Wir können dich nicht mitnehmen. Sie würden erahnen, dass ich viel Zeit damit verbringe, dich abzuwehren und nicht schwanger zu werden.« Ich hob die Augenbraue, womit ich sie schweigend daran erinnerte, dass gestern Abend von Abwehr nicht viel zu merken gewesen war. Helena errötete. »Jacinthus kann als unser Leibwächter durchgehen.« Jacinthus war ermüdend in seiner Begeisterung. Er hoffte, dass ein Keiler seinen Rüssel aus dem Unterholz strecken würde – nicht, um ihn in Schnitzel und Pasteten zu verwandeln, wie er sollte, sondern um gegen ihn zu kämpfen. »Er wird dich suchen, wenn wir fertig sind. Geh und amüsier dich irgendwo, Marcus, und wir treffen uns später.«
»Wie lange wird es dauern?«
»Nicht lange.«
»Jeder Ehemann weiß, was das bedeutet.« Wir sahen, dass Pilger im Heiligtum waren. Ich schätzte, am Fruchtbarkeitsschrein würde es lange Schlangen geben. Die Priester würden alle warten lassen, um sie aus dem Gleichgewicht zu bringen und beeinflussbar zu machen – oder, wie sie sagen würden, um dem beruhigenden Einfluss des Schreins zu gestatten, sie zu besänftigen.
»Ach, jetzt mach doch kein Theater. Geh und spiel im Wald, Falco – und pass auf dich auf!«
Wälder verängstigten mich nicht.
Ich spazierte mehrere Stunden lang herum. Ich sah in all den kleinen Schreinen, Tempeln und Aufenthaltsbereichen nach, ein Unterfangen, das so erfolglos war, wie ich erwartet hatte, und schlenderte dann unter den Bäumen entlang überwachsener Pfade. Mürrisch vor Kälte und Langeweile, lauschte ich auf das Rascheln und Seufzen, das die Natur von sich gibt, um Stadtbewohner auf dem Land zu enervieren. Daran erinnerte ich mich aus Germanien. Wir hatten Wochen damit verbracht, meilenweit durch Wälder zu trotten, und waren immer misstrauischer geworden. Ich wusste, wie einem zumute ist, wenn man ganz allein durch die Wälder stiefelt, und sei es auch nur für kurze Zeit. Jedes Knacken eines Astes lässt das Herz aussetzen. Ich verabscheue diesen Geruch nach alten Tierpfaden und verdächtigen Pilzen. Mir graut vor dem Gefühl, jedes Mal, wenn man eine Lichtung betritt, sei jemand oder irgendwas Widerliches Augenblicke zuvor über einen dieser feuchten Pfade verschwunden, laure aber nach wie vor in der Nähe und beobachte einen mit feindseligem Blick.
Ich konnte verstehen, wie in der Vorgeschichte Roms dunkle Legenden über Nemi entstanden waren. Dieser Ort war seit Jahrhunderten heilig. In vergangenen Zeiten hatte es immer einen König des Hains gegeben, einen Oberpriester, der als entlaufener Sklave hierhergekommen war. Er brach einen goldenen Ast von einem besonderen Baum ab, der nur dem wahren Anwärter nachgeben würde. Er würde den vorherigen König des Hains finden und ihn im Zweikampf töten. Dann konnte er nur ängstlich abwarten, bis der nächste Entlaufene durch den Spektralnebel auftauchte und ihn abmurkste … Diese blutrünstigen Tage hatten angeblich ihr Ende gefunden, als Kaiser Caligula aus dem Stegreif beschloss, der momentane Amtsinhaber hätte seinen Posten schon zu lange inne. Daher schickte er einen kräftigeren Mann, ließ den anderen aus dem Weg räumen und erklärte den Rex Nemorensis zu einem staatlichen Posten, vermutlich zu den üblichen Klauseln und Bedingungen.
Der öffentliche Dienst hat seine dunklen Seiten. Die Bezahlung ist immer dürftig, und die Pensionsansprüche sind ein Witz. Macht man seine Arbeit gut, gibt es stets einen Kleingeist, der neidisch wird, dann wird man beiseitegeschoben, um Platz zu machen für einen unausgegorenen Günstling der Verwaltung, der sich nicht an die alten Zeiten erinnert und keinen Respekt vor den Göttern hat …
Caligula mochte Nemi. Er benutzte den Ort als dekadente Freizeiteinrichtung. Er ließ zwei Prunkschiffe bauen, die auf dem See fahren sollten, schwimmende Vergnügungspaläste. Ich hatte gehört, dass diese Schiffe größer und sogar verschwenderischer ausgestattet waren als die vergoldeten Staatsbarken, die von den Ptolemäern auf dem Nil eingesetzt wurden. Zu den legendären Bordeinrichtungen gehörten sogar voll funktionstüchtige Thermen. Die Schiffe besaßen auch erstklassige nautische Instrumente, manche speziell für diesen Zweck erfunden. Die höfliche Version lautet,
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