Mord im Atrium
Falco.« Mir fiel wieder ein, dass sie mich nie gemocht hatte. Sie war sofort auf Camillus Justinus angesprungen, weil er ohne jeden Zynismus, unschuldig und – soweit er das auf einer gefährlichen Mission sein konnte – ehrlich war. Nur wenige Römer würden in einer angespannten Situation so offen sein wie er. Sie hatte sich eingeredet, der junge Held sei aufrichtig – und er hatte sehr wenig getan, ihr diesen Glauben zu nehmen.
Im Gegensatz dazu hatte sie erkannt, dass ich für sie gefährlich war. Ich war in die endlosen Wälder geschickt worden, wo sie in einem alten römischen Signalturm hauste, bewacht von einer widerlichen Bande ihrer Anhänger – männliche Verwandte, die diese Beziehung ausnutzten. Ich wurde speziell dazu ausgesandt, sie zu manipulieren, zu nötigen, ihren Kampf gegen Rom aufzugeben. Ich hätte sie sogar töten können. Davon war sie wohl auch ausgegangen. Ich war mir nicht sicher, was ich getan hätte, wenn es so weit gekommen wäre. Wenn ich für den Kaiser arbeitete, hatte ich der skrupellose Auftragsmörder zu sein, dem man die dreckigen Aufgaben im Ausland zuwies, die der Staat nicht eingestehen würde und nicht offen billigen konnte. Ich räumte die Verstopfungen in diplomatischen Kanälen aus. Wenn elegante Konversation ausgereicht hätte, Veleda von ihrer Feindschaft gegen uns abzubringen, hätte Vespasian niemals mich geschickt.
Bei unserer letzten Begegnung war ich ihr Gefangener gewesen. Jetzt waren nur wir beide hier an diesem verlassenen Seeufer, ich mit einem Schwert und sie unbewaffnet. Wieder wusste sie, was ich dachte. »Also, werden Sie mich töten, Falco?«
»Wenn das hier Germania Libera wäre …« Ich seufzte. Das Leben ist schlecht und das Schicksal garstig. Hier verstieß ein rasches Ende für Veleda gegen die Regeln. Ich hatte nichts übrig für Regeln, aber jemand könnte uns beobachten. »Ich erwarte nicht, dass Sie mir glauben, doch meine Version der Zivilisation besagt, es wäre am besten, Sie mit einem sauberen Hieb zu töten, statt Sie wie eine Trophäe auf einem Karren vorzuführen und von irgendeinem dreckigen Henker erwürgen zu lassen.«
Veleda entgegnete nichts. Stattdessen wandte sie sich wieder ab und starrte in den See, als würde sie flüchtige Blicke auf die verschwommenen Umrisse der versunkenen Barken in diesem friedvollen Gewässer erhaschen.
Ich trat näher zu ihr. »Vielleicht sind Sie einem alten Mann begegnet, der Ihnen erzählte, dass im See sagenhafte Schiffe liegen, gebaut für einen Kaiser. Ich werde nie vergessen, dass Sie mir einst das kostbare Geschenk eines Generals überlassen haben. Sein Schiff. Sie haben uns das Leben gerettet. Ihr Stamm muss Sie dafür gehasst haben. Also, Veleda, fordern Sie Gefälligkeiten ein?«
Veleda drehte sich um und warf mir einen kalten Blick zu. »Wenn es mir um eine Gegenleistung für meine Gefälligkeit gegangen wäre, hätte ich sofort bei meiner Ankunft in Rom nach Ihnen geschickt.«
»Nach wessen Hilfe haben Sie dann geschickt?«, forderte ich sie heraus.
Sie stand gerade da wie ein Speer. »Ich habe nach niemandem geschickt.«
Ich lächelte dünn. »War ja auch nicht nötig. Da war dieser junge Mann mit dem starken Pflichtgefühl – und starken Gefühlen für Sie, die nie nachgelassen haben. Daher schrieb er Ihnen.«
»Wenn Sie das wissen, Falco, dann wissen Sie auch, dass ich ihm nie geantwortet habe.«
Ich konnte mich nicht entscheiden, ob wir Fortschritte machten oder nur in sinnlosem Gerede versackten. Jetzt schauten wir beide auf das Wasser des Sees.
»Ich glaube Ihnen, Veleda. Wir mögen zwar Feinde sein, sind aber in der Vergangenheit fair miteinander umgegangen. Ich habe Ihnen offen erzählt, warum ich in Ihr Herrschaftsgebiet eingedrungen bin, und Sie berichteten mir dafür ehrlich von dem Schicksal des Mannes, dessen Tod ich aufklären sollte. Als meine Gefährten und ich Sie verließen, gingen wir mit Ihrer vorherigen Kenntnis und Zustimmung. Wir hatten Ihnen unsere Argumente für Frieden unterbreitet. Es blieb Ihnen frei, sich zu entscheiden, ob Sie die feindseligen Aktivitäten gegen Rom fortsetzen oder sich von uns umstimmen lassen wollten.« Womit ich meinte, sich von Camillus Justinus umstimmen zu lassen, da er unser Sprecher war. Er war der Einzige, auf den Veleda hatte hören wollen. Ich senkte die Stimme. »Daher frage ich Sie in demselben Geiste, Veleda: Haben Sie Sextus Gratianus Scaeva getötet?«
Die Seherin trat einen halben Schritt vor und hockte
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