Mord im Atrium
»Es ist kein Verbrechen begangen worden, Falco. Was sie mit dem Kopf gemacht haben, war Leichenschändung, doch darüber muss sich Quadrumatus mit seiner Frau auseinandersetzen. Die Gute scheint ja so schon völlig von der Rolle zu sein. Der Tod ihres Bruders war töricht und vermeidbar, aber das ist ihre Strafe. Ich werde diesen Tod als Unfall einstufen. Mastarna hat eindeutig Selbstmord begangen. Muss die Vorstellung nicht verkraftet haben, seinen Ruf zu verlieren.«
»Und seine Einkünfte«, sagte ich. »Wer würde ihn noch konsultieren, wenn bekannt wurde, dass er Scaeva auf diese Weise verloren hat? Außerdem hätte es eine kolossale Schadensersatzforderung geben können. Wenn Quadrumatus so viele Anwälte beschäftigt, wie er Ärzte hat, wäre einer von denen garantiert darauf gekommen, Mastarna wegen ärztlicher Fahrlässigkeit zu belangen.«
Petronius stieß einen Pfiff aus, als er an die möglichen Summen dachte.
Für ihn war damit alles geregelt. Mich beschäftigte jedoch immer noch etwas. »Was hatte Scaevas Flötenjunge mit der ganzen Sache zu tun, Pylaemenes?« Petro warf mir einen raschen Blick zu. Da ich mir nicht sicher war, ob er bereits wusste, dass ich Marcus Rubella gebeten hatte, weitere Untersuchungen durch die Kohorte zu bewilligen, teilte ich ihm mit: »Der Flötenspieler muss etwas gewusst haben. Ich glaube, er wurde ermordet, um ihn daran zu hindern, das auszuplaudern. Ich möchte, dass Scythax ihn sich anschaut.«
»Der Flötenspieler hätte dabei sein sollen«, unterbrach Pylaemenes. »Er wusste von der Operation. Scaeva benutzte ihn für Musiktherapie. Daher sollte er die ganze Zeit im Raum sein und besänftigende Melodien spielen, damit sich die Anwesenden entspannten. Leider ist er ein schlafmütziger Bursche. Na ja, vielleicht hatte er auch Angst, bei der Operation zuzuschauen. Ich hörte, er sei zu spät aufgetaucht. Mastarna hatte die Operation bereits durchgeführt – so weit sie ging, bevor der Patient alles vollblutete. Drusilla und ihre Dienstbotinnen schrien. Scaeva war tot – das muss offensichtlich gewesen sein –, und das Kind sah seinen Herrn in Blutlachen liegen, während ihm gerade der Kopf abgesäbelt wurde …«
Petronius fluchte. »Den Jungen zu töten war sinnlos. Unfälle passieren. Wenn es kein Verbrechen gab, bestand keine Notwendigkeit, den kleinen Kerl zum Schweigen zu bringen.«
»Aber da sie den Flötenspieler umgebracht haben«, blaffte ich ihn an, »gibt es ein Verbrechen, und wir werden es verdammt noch mal aufklären!«
Petronius klopfte mir auf die Schulter. Er wusste von meinem Stichtag. »Du hast deine eigenen Sorgen. Überlass das hier uns, Falco.«
LIX
I ch nahm Petronius Longus beim Wort.
Da ich schon mal unterwegs war, machte ich einen Besuch bei Julia Justa. Der Pförtner im Haus des Senators ließ sich dazu herab, mir mitzuteilen, meine Schwiegermutter sei heute Morgen zum Haus der Vestalinnen gegangen, aber noch nicht zurückgekehrt. Typisch – Mastarna hatte Scaeva getötet und den toten Patienten vermutlich auch geköpft. Ich brauchte keine Erklärung mehr, doch ich war Julia Justa trotzdem verpflichtet … Ich hätte sie nur gebeten, einen Gefallen von ihrer vestalischen Freundin einzufordern, wenn es unbedingt nötig gewesen wäre. Wenn wir nächstes Mal die Vestalin brauchten, würde es schwieriger werden, und wer wusste, welche Notfälle sich in der Zukunft ereignen würden?
Der Senator war ausgegangen. Ins Gymnasium. Vielleicht, um der häuslichen Belastung zu entgehen. Wir waren beide Mitglieder von Cassius’ Gymnasium in der Nähe des Castor-Tempels, daher erwog ich, ihn dort aufzusuchen. Leider hatte jemand Claudia Rufina von meiner Anwesenheit im Haus berichtet. Sie kam die Treppe heruntergeflogen, mit flatternden grünen Stolen wie Schiffswimpeln, und stürzte auf mich zu. Sie war eine gute Mutter, und mir wehte abwechselnd der Duft eines sehr teuren Parfums und der nach Muttermilch entgegen. Einer ihrer baumelnden Ohrringe saß schief. Claudia hatte ein ihr sehr ergebenes baeticanisches Dienstmädchen und genügend auf Hochglanz polierte silberne Handspiegel. Daher war er vielleicht spielerisch von dem neun Monate alten Gaius Camillus Rufius Constantinus losgezerrt worden.
Sie packte mich am Ärmel. »Marcus, geh nicht!«
»Ah, Claudia – schlag mich nicht!«
Sie senkte die Stimme rasch zu einem ruhigeren Ton. »Mach keine Witze darüber, niemals, Falco.« Meiner Meinung nach brauchte diese verängstigte
Weitere Kostenlose Bücher