Mord im Atrium
selbst wenn Veleda nach ihrer Flucht in dem Krankenhaus gewesen war, wäre sie an einen anderen Ort verlegt worden, sobald Fragen gestellt worden wären. Es war allgemein bekannt, dass Ausreißern, die nachweislich vor Brutalität geflohen waren, beim Verschwinden geholfen wurde. Wenn die Angestellten Mitgefühl mit Veledas misslicher Lage hatten, konnte sie über dieselbe Fluchtroute fortgebracht worden sein.
Nach der Suche ließen wir es dabei bewenden. Ich hatte einfach keine Beweise, die es rechtfertigen würden, entweder Zosime unter Druck zu setzen oder die Verwalter zu bedrohen.
Der Tag war hektisch, wenn auch größtenteils unproduktiv gewesen. Ich freute mich auf einen ruhigen Abend zu Hause, um meine nächsten Schritte zu planen. Bei einer normalen Ermittlung wäre das der Zeitpunkt gewesen, an dem ich eine Fallbesprechung mit einem der Camillus-Brüder begrüßt hätte. Ein netter Zeitvertreib für einen Winterabend. Wir hätten um ein warmes Kohlebecken sitzen, Mandeln und Äpfel mampfen können, mit einem Glas Tafelwein oder auch zwei, und Helena hätte uns auf eine vernünftige Lösung hingeführt, während wir Männer dem Thema auszuweichen versuchten …
Keine Chance dafür. Aelianus war in Griechenland – und ich würde gleich sehr schlechte Neuigkeiten darüber zu hören bekommen, was mit unserem vermissten Justinus geschehen war. Das ging los, als wir auf der Schwelle von Albia begrüßt wurden, in Tränen aufgelöst.
»Etwas Schreckliches ist passiert, Marcus Didius – ich habe stundenlang gesucht, aber ich kann die Hündin nicht finden. Nux ist weggelaufen!«
XVII
M achst du Witze, Albia? Du kannst doch wohl nicht ernsthaft meinen, dass ich nicht nur nach einer ausgebüxten Mordverdächtigen und meinem vermissten Schwager suchen muss, sondern jetzt auch noch meine Zeit und Mühe darauf verschwenden soll, nach einem Hund zu suchen?«
»Ich kann das nicht tun. Du lässt mich ja nicht draußen herumlaufen.« Das hatte sie noch nie davon abgehalten, wenn sie sich Zimtgebäck kaufen wollte.
Albia verbrachte viel Zeit damit, sich vorzustellen, sie sei eine Prinzessin, zu deren Zubehör auch ein edler Jagdhund gehörte, eine Rolle, die sie verrückterweise Nux zugedacht hatte. Die kleine Hündin ließ es ihr gutmütig durchgehen. Albia liebte Nux, und Nux erwiderte das Gefühl. Für uns andere war meine Hündin ein schmuddeliges, manchmal stinkendes Bündel, dessen verfilztes vielfarbiges Fell niemand willentlich allzu genau unter die Lupe nehmen wollte. Nux war freundlich und voller Leben, doch sie besaß keinen Stammbaum. Sie hatte mich adoptiert. Sie kam von der Straße und betrachtete mich als Weichei. Womit sie nicht unrecht hatte. Niemand, der die Wahl hatte, würde Nux in sein Heim lassen. Ich nahm Nux bei mir auf, und später nahm ich Albia auf, da das Leben der beiden zu der Zeit sogar noch schlimmer war als meines. Außerdem gab ich in beiden Fällen Helena die Schuld. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, sich in einen großzügigen Menschen verliebt zu haben, einen Wohltäter der Unterdrückten. Ich hatte mich ihrem Willen gebeugt. In beiden Fällen.
»Die arme Nuxie war ganz verstört, als die Soldaten kamen, Marcus Didius.«
»Haben die Dreckskerle sie schlecht behandelt?«
»Nein, aber sie versteht nicht, warum die alle in ihrem Haus sind.«
»Sie wird aus eigenen Stücken wieder heimkommen.«
»Wir kannst du nur so herzlos sein? Die Straßen sind voll mit Feiernden – sie wird sich zu Tode ängstigen!«
Angesteckt von Albias Aufregung, begannen beide Kinder zu heulen. Julia und Favonia, zwei in der Rolle tragischer Heldinnen erprobte Schauspielerinnen, umklammerten Nux’ Lieblingsspielzeug und blickten mich kläglich an. Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, dass ich bald darauf versprach, loszuziehen und das verlorene Hündchen zu suchen. Vertrauensvolle junge Gesichter strahlten einen heldenhaften Papa an und erwarteten Wunder.
Albia kam mit mir. Wahrscheinlich hatte sie den Verdacht, ich würde mich in eine Weinschenke verziehen. (Nein, Herzchen, das war gestern Abend.) Schließlich, nachdem wir alle Straßen und Gassen der Nachbarschaft abgeklappert hatten und ich mir dämlich vorkam, ständig den Namen des Hundes zu rufen, hatte ich die Schnauze voll, von kostümierten Nachtschwärmern angesprungen zu werden, die dann juchzend davonrannten. Ich marschierte zum Wachlokal der Vigiles und fragte nach Petronius. Albia wich mir nicht von der Seite und warf
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