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Mord im Atrium

Mord im Atrium

Titel: Mord im Atrium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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hat.«
    »Ein Hinweis? Wer hat sie?«
    »Der Spitzel von der Siebten. Victor heißt er. Lungert meistens in den Saepta herum, ohne unauffällig zu wirken … Oder bitte jemanden dort, ihn dir zu zeigen. Die kennen Victor alle. Als Geheimagent taugt der nicht die Bohne. Dämliche Siebte! Unfähige Dussel.«
    Fusculus genoss es, seine Rivalen zu beschimpfen. Ich hegte freundlichere Gefühle für sie. Die Siebte Kohorte (Transtiberim und Circus Flaminius) mochte zwar den anspruchsvollen professionellen Maßstäben der glorreichen Vierten (Aventin und Piscina Publica) nicht entsprechen, aber bisher waren sie die Einzigen, die mir einen Hinweis verschafft hatten.
     
    »Waren das alles Wörter, die ich lernen muss, um Römerin zu sein?«, fragte Albia auf dem Heimweg. Sie hatte eine Weile gewartet, bevor sie die Frage stellte, weil sie merkte, dass ich in düsteren Gedanken versunken war. Die Straßen waren dunkel und inzwischen ziemlich ruhig. Ich hielt nach Ärger Ausschau, wie ich es immer tat, aber das machte nur einen Teil meiner Geistesabwesenheit aus.
    »Absolut nicht, Albia. Du willst doch nicht, dass die Leute dich für eine Exzentrikerin halten.«
    Eine Pause entstand. »Ist Fusculus exzentrisch?«
    »Der nicht. Ein grundsolider Kerl.«
    »Und du?«
    »Ich bin ein absoluter Schnossel.«
    Eine weitere Pause. »O nein, Marcus Didius. Ich würde sagen, du bist ein Zwutzler!«, entschied Albia nachdrücklich. »Also, sind das echte Wörter?«
    »Wörter sind echt, wenn andere glauben, sie verstünden ihre Bedeutung.«
    »Was bedeuten diese Wörter dann, Marcus Didius?«
    »Ich habe keine Ahnung, Albia.«
     
    Eine Weile gingen wir schweigend weiter. Der Aventin ist vollgepackt mit Tempeln. Wir hatten den großen, beherrschenden Klotz der Diana auf dem Aventin hinter uns gelassen, hoch oben auf dem Hauptteil des Hügels, und gingen jetzt bergab vorbei an Minerva, Libertas und Juno Regina. Nachdem wir die Cassius-Treppen hinuntergehüpft waren, mit Flora, Luna und Ceres zu unserer Rechten, hatten wir schon fast das Tiberufer beim Pons Probus erreicht. So gut wie zu Hause. Bevor es zu spät war, stellte mir Albia ihre eigentliche Frage: »Dann wirst du also die Prätorianer fragen müssen, warum sie Quintus verhaftet haben?«
    »Fragen werde ich bestimmt. Aber nicht die Garde.«
    Albia wartete. Als ihr das zu blöd wurde, wollte sie wissen: »Wen fragst du dann?«
    »Den Mann, der den Befehl dazu gegeben hat. Aber ich werde dir nicht sagen, wer das ist. Das brauchst du nicht zu wissen.«
    Wieder schwieg Albia einen Moment. Sie war ein aufgewecktes junges Mädchen, meine Pflegetochter aus Britannien. Es gab vieles, was ich ihr nie erklärt oder mit ihr besprochen hatte, und doch hatte sie es aus Gesprächsfetzen aufgeschnappt, ja, sogar aus dem, was Helena und ich ungesagt ließen.
    Wir machten etwa fünf weitere Schritte, schlenderten, um uns dem Tempo von Nux anzupassen, die jeden Zoll des Straßenpflasters beschnüffeln musste. Schließlich bemerkte Albia leise: »Anacrites!«
    Nux blieb wie angewurzelt stehen, schaute mit angelegten Ohren zu uns beiden hoch und knurrte leise. Selbst mein Hund verabscheute es, den Namen des Oberspions zu hören.

XIX
    M öglicherweise könnte sich jemand wünschen, zum Beispiel eine wohlmeinende Frau mit einem besonders weichen Herzen, dass die Parzen Anacrites zu einem glücklichen Leben verhelfen würden. Inzwischen ein Freigelassener, musste er als Sklave geboren worden sein – wenngleich für mich die Vorstellung von normaler Geburt und Anacrites ein Widerspruch war. Ich würde sagen, er war brüllend aus dem Bauch eines Seeungeheuers herausgezogen worden, eines jener Monster und böser Omen, die regelmäßig im
Tagesanzeiger
aufgelistet werden, zum beglückten Entsetzen der Zartbesaiteten. Der Gedanke war einfach zu grausig, dass um die Zeit, als der wahnsinnige Kaiser Caligula mit seinen Schwestern schlief, eine arme kleine blassgesichtige Näherin des kaiserlichen Haushalts gezwungen war, die Geburtsschmerzen durchzustehen, nur um dann feststellen zu müssen, der leidenden Welt Anacrites aufgebürdet zu haben. Seine Mutter war jetzt dort, wo alte Palastbedienstete immer endeten, vermutlich nur versehen mit einem trostlosen Gedenkstein. Jupiter mochte wissen, wer sein Vater war. Für Sklaven wurden solche Unterlagen nur selten aufbewahrt.
    Er hätte glücklich sein können. Wenn Zufriedenheit in seiner Natur gelegen hätte – statt des ruhelosen, verzehrenden Neids, der

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