Mord im Dirnenhaus
Adelina trat nun ebenfalls näher. «Was wollte dieser Dominikaner von dir?»
«Thomas?» Ludmilla kicherte gehässig. «
Bruder Thomasius
.» Sie betonte die Worte, als spräche sie über einbesonders hässliches Insekt. «Er war hier, um mein Seelenheil zu retten, wie er sagt. Und um zu sehen, wie ich leide.»
«Er war abscheulich zu dir.»
«Hast du uns belauscht?» Vorsichtig richtete sich Ludmilla ein wenig auf und sogleich knackten ihre Gelenke. Sie verzog das Gesicht. «Natürlich war er abscheulich. Er ist mein Bruder, und er verachtet mich, weil ich es hinter Klostermauern nicht ausgehalten habe.»
«Bruder Thomasius ist dein leiblicher Bruder?», hakte Neklas ungläubig nach.
«Wir haben dieselben Eltern, ja. Das ist aber auch schon alles, was uns verbindet.»
«Und warum war er dann hier?», fragte Adelina.
Ludmilla sah sie an, als sei sie begriffsstutzig. «Das sagte ich doch. Er war hier, weil er glaubt, meine Seele retten zu müssen, indem er mich dazu bringt, die Taten zu gestehen, die man mir vorwirft.»
«Er ist verrückt», meinte Adelina mit einem verständnislosen Kopfschütteln.
«Er ist gefährlich», korrigierte Neklas. «Und leider muss ich ihm recht geben mit dem, was er gesagt hat. Die Welt ist wirklich verdammt klein.» Er richtete sich wieder auf und ging in der engen Zelle auf und ab. Bei der Fensteröffnung blieb er stehen und drehte sich um. «Du bleibst also bei deiner Aussage, dass du nichts mit dem Eisenhut zu tun hast.» Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, und er schien auch keine Antwort zu erwarten, denn er sprach sogleich weiter: «Du weißt aber, wo man hier in der Gegend Eisenhut findet.»
«Nein.» Ludmilla schüttelte den Kopf. «Aber ich weiß, wo ich ihn suchen muss.»
«Wie auch immer.» Er blickte auffordernd zu Adelina herab.
Sie nickte und legte Ludmilla eine Hand auf den knochigen Arm. «Kennst du jemanden aus dem Stadtrat? Oder vielleicht die Ehefrau eines Ratsherrn?»
«Pah, eine? Etliche! Wenn die Hebammen der Stadt nicht mehr weiter wissen, erinnern sie sich an mich. Dann bin ich plötzlich gut genug.»
«Also hast du der einen oder anderen schon bei einer schwierigen Geburt beigestanden. Auch bei … anderen Problemen?»
Schweigend blickte Ludmilla ihr in die Augen.
«Also ja», schloss Adelina.
Neklas trat einen Schritt näher. «Glaubst du, jemand beschuldigt sie, um sie aus dem Weg zu räumen?»
«Möglich wäre es doch immerhin.» Adelina wandte sich wieder zu Ludmilla. «Kannst du dir jemanden vorstellen, der dir Böses will?»
Ludmilla lachte. «Außer Thomas? Alle und niemand.»
«So kommen wir nicht weiter.» Ungeduldig nahm Neklas seine Wanderung durch die Zelle wieder auf. «Nehmen wir mal an, du warst am Tag von van Kneyarts Tod nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Niemand hätte dich mit dem Eisenhut in Verbindung gebracht. Wen hätte man stattdessen verdächtigt?»
«Die Apotheker», antwortete Adelina. «Die Ärzte.»
Ludmilla räusperte sich und spuckte eitrigen Schleim in die Ecke neben der Strohschütte. «Ihr beide wärt die ersten gewesen, zu denen sie gerannt wären.»
«Meine Sammelweiber sind über jeden Zweifel erhaben.»
«Die vielleicht.» Ludmilla zog sich die Decke, dieAdelina ihr beim letzten Mal gebracht hatte, um die Schultern. «Du könntest dir das Zeug ja auch gekauft haben. Es gibt vielleicht Leute, die hier durchreisen und so ein Gift feilbieten.»
«Diese Möglichkeit haben wir noch nicht in Betracht gezogen», stimmte Neklas zu. «Ein Spezereienhändler, der sich mit so was heimlich ein lukratives Zubrot verdient, ein Weinhändler, der das Getränk zum Mischen gleich mitliefert …»
«Und wenn er nur auf der Durchreise war, werden wir nie erfahren, wer es war», ergänzte Adelina. «Also müssen wir herausfinden, ob sich in letzter Zeit jemand in Köln aufgehalten hat, der den Leuten Gift verkaufte …»
«… wenn sie genug zahlen konnten. Der Käufer müsste jemand mit Geld sein. Kein armer Schlucker», ergänzte Neklas. «Ich werde mich umhören.»
Adelina erhob sich und ging zur Tür, um sich bei Pitter bemerkbar zu machen. «Ludmilla, du musst essen und trinken. Ich lasse nicht zu, dass sie dich verurteilen. Aber wenn du nicht bei Kräften bleibst, könnte alles umsonst sein.»
«Ja, nun geht schon», winkte die alte Frau unwirsch ab. «Unkraut vergeht nicht, und solange sie mir nicht die Knochen brechen, werd ich’s schon aushalten.»
«Nun gut. Aber nimm dies», Adelina kehrte
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