Mord im Dirnenhaus
haben!» Sie hielt ihm, grazil, wie sie wohl dachte, ihre rechte Hand hin. An Handgelenk und Fingern schillerten Blutergüsse von bräunlichgelb bis lila.
Neklas untersuchte die Hand, ohne auf ihre Worte einzugehen oder eine Miene zu verziehen. «Kühlende Umschläge mit Kräutern, die helfen, die Blutergüsse aufzulösen», diktierte er. «Und noch mehr Ringelblumensalbe.» Er blickte Elsbeth ins verweinte Gesicht. «Man sagt, du habest den Ratsherrn van Kneyart sehr gut gekannt. Ist er regelmäßig zu dir gekommen?»
Mit zitternden Fingern fuhr sich Elsbeth über die Nase. «Er kam immer donnerstags und sonntags. Das hab ich doch schon so oft erzählt! Aber er war nicht nur ein Kunde. Er … er …», wieder schluchzte sie auf. «Er wollte mir helfen und mich aus der Stadt bringen. Nach Bonn vielleicht, da hat er ein Haus gekauft. Erwollte mir doch helfen, wieder ehrbar zu werden.» Auf Trins und Ännes hämisches Auflachen hin richtete sich die junge Frau zornig auf. «Es stimmt! Ihr glaubt mir das nicht, aber er hat es mir versprochen. Er hat gesagt, er lässt mich in dem Haus wohnen, und wenn ein bisschen Zeit vergangen ist, würde er mich zurückholen und heiraten. Das hat er gesagt. Und er hat es auch gemeint!»
«Du willst damit also sagen, du habest so etwas wie eine Liebschaft mit ihm gehabt?», hakte Adelina nach. Ihr Griffel schwebte über dem Wachstäfelchen. Sie wartete auf weitere Anweisungen von Neklas.
«Weidenrindensud», kam denn auch seine Stimme. Er kniete inzwischen neben Änne. «Und etwas Kräftigendes für die werdende Mutter. Wir wollen doch nicht, dass sie das Kind vor der Zeit verliert.»
«Das ist denen doch egal», fauchte die Schwangere.
«Es war nicht bloß eine Liebschaft!», begehrte Elsbeth indes auf. «Er hat mich gefragt, ob ich ihn heiraten will, später, wenn alles vorbei ist. Ganz offiziell.»
«Offiziell!» Trin sah sie mit einer Mischung aus Mitleid und Spott an. «So offiziell, dass nur ihr beide davon wusstet. Oder willst du mir vielleicht weismachen, dass er das auch in seinen Ratssitzungen erzählt hat? Nee, nee, warten wollte er. Wahrscheinlich, bis du schwarz geworden wärst. Ich kenne solche Männer. Versprechen einem das Blaue vom Himmel, damit man ihren widernatürlichen Gelüsten entgegenkommt.»
«Er hatte keine widernatürlichen Gelüste!» Elsbeths Tränen waren nun versiegt, und sie hatte sich in eine wütende Furie verwandelt. «Er hat mich geliebt! Er hat sogar seiner Schwester davon erzählt. Und seinem Vetter, und einfach allen aus seiner Familie!»
«Das glaubst du doch selbst nicht.» Berta schüttelte nachsichtig den Kopf. «Er hat dir eine Menge Flausen in den Kopf gesetzt, das ist alles.»
«Vier Wolldecken, Kampferumschläge», sagte Neklas und erhob sich. «Du hast eine raue Stimme», meinte er zu Berta. «Wir sollten versuchen, das Kratzen in der Kehle zu lindern. Wenn du hier drin einen Lungenkatarrh bekommst, bist du verloren.»
Adelina kritzelte die Anweisungen nieder und schob das Täfelchen zurück in die Gürteltasche. Dann wandte sie sich noch einmal an Elsbeth. «Du hast eben gesagt, van Kneyart habe dich heiraten wollen, wenn alles vorbei ist. Was hat er damit gemeint?»
Elsbeth hob die Schultern. Sie rang sichtlich mit ihrer Fassung. «Weiß ich nicht. Ich dachte erst, er meint, bis die Leute meinen Beruf vergessen haben. Doch ich glaube, er hatte auch noch andere Sorgen. Aber er hat nicht mit mir darüber gesprochen.»
«Auch keine Andeutungen gemacht?»
«Ich weiß nicht. Nein. Ich verstehe doch auch nichts von seinem Geschäft oder vom Stadtrat und all den Sachen.»
«Also hatte er Probleme mit seiner Goldschmiede? Oder mit einem anderen Ratsherrn?», hakte Neklas sofort nach und kniff argwöhnisch die Augen zusammen, als Elsbeth den Kopf senkte und schwieg. «Komm schon, Mädchen, du weißt doch etwas!»
«Mit …» Elsbeth verschränkte ihre zierlichen, schmutzigen Finger im Schoß. «Mit der Schmiede war nichts. Er hat immer gesagt, wenn ich mal seine Frau bin, dann würde es mir richtig gutgehen, und er würde mich mit Goldschmuck behängen, jeden Tag.»
Trin stieß wieder ein verächtliches Lachen aus. Imnächsten Moment klatschte es laut. Elsbeth hatte ihr die flache Hand ins Gesicht geschlagen. Trin fasste sich an die Wange und starrte die kleine Frau überrascht an.
Elsbeth lehnte sich gegen die feuchtkalte Wand und schloss für einen Augenblick die Augen. Als sie sie wieder öffnete, sagte sie: «Es muss etwas
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