Mord im Dirnenhaus
im Stadtrat gewesen sein. Er hat manchmal so vor sich hin gemurmelt und gemeint, da gäbe es eine ganz große Schweinerei, und dass er sich das nicht länger mit ansehen könne. Aber mehr weiß ich wirklich nicht.» Dann fuhr sie plötzlich auf: «Doch, einmal hat er gesagt, wenn er den Mistkerl kriegt, dreht er ihm den Hals um.»
«Wen hat er damit gemeint?» Interessiert trat Adelina einen Schritt näher.
Elsbeth hob wieder die Schultern. «Wenn ich das wüsste, würde ich es bestimmt sagen. Ich will doch hier raus. Und vielleicht hat ja dieser Kerl auch Thönnes umgebracht und will es jetzt mir anhängen.»
Plötzlich ratschte der Riegel an der Tür. «He da drin, Besuchszeit ist um. Was treibt Ihr denn so lange?» Pitter steckte den Kopf herein und grinste dreckig. Seine Miene verzog sich jedoch enttäuscht, als er keine verfängliche Situation ausmachen konnte.
Neklas trat zur Tür und zog Adelina am Arm mit sich. «Lass uns gehen.» Über die Schulter meinte er zu den Dirnen: «Wir bringen euch die Arzneien so bald wie möglich.»
Pitter knallte die Zellentür unnötig laut wieder zu und brachte sie zum Ausgang. Neklas drückte ihm eine Münze in die Hand, bevor er Adelina erneut am Arm nahm und sie mit sich von der Weckschnapp fortführte.
Der Regen hatte inzwischen wieder nachgelassen und war in ein leichtes Nieseln übergegangen. Auch der Wind hatte sich beruhigt, sodass die feuchte Luft sich nun wieder in den Gassen staute, je weiter sie sich vom Rhein entfernten. Adelina fröstelte. Ein Unwetter lag noch immer in der Luft, und sie dache bei sich, dass ihr wohl auch daheim einiges bevorstehen würde.
9
Bei ihrer Heimkehr fanden sie das Haus in ungewöhnlicher Ruhe vor. Ludowig war mit dem Karren losgezogen, um Holz zu holen, und hatte Vitus mitgenommen. Albert lag auf der Ofenbank in der Küche und schlief, und Magda arbeitete mit Griet im Garten, den sie bereits für die kalte Jahreszeit vorbereiten wollte.
Franziska saß in der Küche über einem großen Korb Flickwäsche. Als Adelina und Neklas den Raum betraten, sprang sie von der Bank auf.
«Herr Magister, da war ein Mönch an der Tür, vor einer Stunde. Er wollte unbedingt ins Haus, aber ich hab ihn nicht gelassen. Und weil Ludowig da war, konnte ich ihn auch wieder wegschicken», sprudelte es aus ihr heraus. «Ich glaube, das war der Prediger, der neulich auf dem Marktplatz war, Herrin.» Sie blickte Adelina mit einer Mischung aus Neugier und Missmut an. «Er war sehr unhöflich. Und dann hat er mir, bevor er ging, das Kreuzzeichen auf die Stirn gemacht und gemeint, ich sei eine arme Seele. Was hat er denn damit gemeint?»
«Thomasius.» Neklas knirschte mit den Zähnen.
Adelina blickte ihn verärgert an. «Was hast du mit diesem …»
«Später», wehrte er ab. «Ich habe noch was zu erledigen.» Mit finsterer Miene, die auch Adelina und Franziska mit einschloss, machte er auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum. Adelina sah ihm verblüfft nach.
Wenig später hörten sie ihn auf der Kellertreppe. Unten rumorte er eine Weile, dann kam er mit einem großen Bündel wieder herauf. Entschlossen trat Adelina in den schmalen Flur und hielt ihn am Ärmel fest. «Willst du mir nicht endlich sagen, was los ist? Woher kennst du diesen Thomasius? Was will er von dir?»
Doch Neklas schüttelte ihren Arm einfach ab. «Lass mich. Ich habe gesagt, ich kann jetzt nicht darüber sprechen. Wartet nicht auf mich, ich muss noch einmal fort.»
Adelina folgte ihm immer ratloser und mit wachsender Wut im Bauch zur Haustür. «Wo willst du hin?»
Neklas gab keine Antwort, sondern trat hinaus. «Lasst diesen Höllenhund nicht ins Haus.»
Adelina hob die Brauen.
«Thomasius», knurrte er. «Lasst ihn in Gottes Namen nicht ins Haus. Wartet nicht», wiederholte er dann. «Ich weiß nicht, wann ich zurück sein werde.»
«Aber was …?» Adelina sah ihm immer verständnisloser nach. Der Zorn begann in ihr zu brodeln. «Neklas, was soll das?»
Er blieb stehen und drehte sich mit einer heftigen Bewegung zu ihr um. Über seine finstere Miene erschrak sie. «Adelina, ich habe gesagt, nicht jetzt. Tu einfach, was ich dir gesagt habe. Und bereite die Arzneien für die Frauen vor.» Damit machte er endgültig kehrt und verschwand zwischen den Marktbuden. Das unförmige Bündel schaukelte auf seinem Rücken hin und her.
«Dann mach doch, was du willst!», schimpfte Adelina und knallte wütend die Haustür zu. In ihrem Zorn drehte sie nicht nur den Schlüssel im
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