Mord im Dirnenhaus
und Reue zeigst.» Man hörte leises Schlurfen wie von Sandalen auf dem Steinboden der Zelle. «Gestehe und nimm deine gerechte Strafe an, hörst du, Schwester! Nur so kannst du deine Seele noch vor der ewigen Verdammnis retten.»
Adelina atmete scharf ein bei seinen Worten und starrte Neklas mit großen Augen an. Er legte jedoch nur den Finger auf die Lippen.
«Ich will dir helfen …», sprach der Priester weiter, doch Ludmilla unterbrach ihn.
«Helfen, helfen», äffte sie ihn nach. «Du bist ein solcher Heuchler, Thomas. Ein solcher Heuchler.» Ein Keuchen erklang und dann wieder ein heiseres Lachen. «Du willst allenfalls dir selbst helfen. Kannst es nicht ertragen, dass du eine Schwester wie mich hast. Was wäre dir denn am liebsten? Dass sie mich hängen? Nein? Dass sie mich verbrennen wie die Ketzer, die ihr meint, ausrotten zu müssen? Oder gar wie eine Hexe? Bitte, ich kann es nicht verhindern. Labe dich an meinem Elend, das konntest du schon immer gut.» Ludmillas Stimme wurde immer leiser, ihr Atem kam in rasselnden Stößen.
«Ich werde für die Errettung deiner Seele beten», sprach der Priester unbeeindruckt. «Denk an meine Worte! Bekenne dich, dann kannst du Gottes Gnade am Jüngsten Tag erwarten.»
«Tu, was du nicht lassen kannst», krächzte Ludmilla. «Aber ich werde nichts bekennen, was ich nicht getan habe. Und nun geh!»
Die Antwort des Geistlichen konnten Adelina und Neklas nicht mehr verstehen, da sie sich rasch ein Stück von der Tür entfernten und gleichzeitig aus dem Zelleninnerenein lautes Klopfen ertönte. Fast im gleichen Moment tauchte Pitter am Treppenabsatz auf, eilte an den beiden vorbei und öffnete die Zellentür. Heraus trat der auch heute in makelloses Weiß gewandete Dominikanermönch, der kürzlich auf dem Alten Markt gepredigt hatte.
Adelina starrte ihn einen Moment lang an. «Ihr!», stieß sie wütend hervor. Der Mönch musterte sie erstaunt. Offenbar erkannte er sie nicht wieder. Sein Blick wanderte zu Neklas, und plötzlich weiteten sich seine Augen. Dann breitete sich ein süffisantes Lächeln auf seinen schmalen Lippen aus. «Magister Neklas Burka! Wie klein ist doch die Welt.»
«Bruder Thomasius.» Mehr sagte Neklas nicht, doch seine Stimme hatte einen merkwürdigen Unterton, und er starrte den Mönch mit finsterer Miene an. Adelina blickte überrascht zwischen den beiden Männern hin und her.
Thomasius’ Lächeln vertiefte sich noch, und er zischte: «Eine hübsche Begleiterin habt Ihr da. Weiß sie, wer Ihr seid? Vermutlich nicht, sonst hätte sie wahrscheinlich längst die Flucht ergriffen.»
Nun fixierte er Adelina. «Wisst Ihr über ihn Bescheid? Ich gebe Euch einen Rat, haltet Euch von diesem Mann fern, wenn Euch Eure Seele lieb ist. Oder …» Thomasius kniff die Augen zusammen, als er den Zorn in Neklas’ Gesicht aufflackern sah. Aufmerksam musterte er Adelina, und sein Blick wanderte von ihrer Haube zu ihren Händen. An ihrer Rechten trug sie den Ehering, den Neklas ihr zur Vermählung geschenkt hatte.
«Oder seid Ihr am Ende sein Weib?» Der Mönch gluckste und lachte dann laut auf. «Sein Weib, ha!» Er ging an den beiden vorbei die Treppe hinunter. Seinhemmungsloses Lachen schallte in dem engen Turm wider, bis er zur Tür hinaus war.
Adelina blickte Neklas mit größtem Erstaunen an. «Kennst du etwa diesen …»
«Später», stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und fixierte den Punkt, an dem Bruder Thomasius eben noch gestanden hatte. «Später, Lina.» Er hob den Kopf, und sie erschrak über den giftigen Ausdruck in seinen Augen. Doch das Aufflackern erlosch im nächsten Augenblick, und er schüttelte müde den Kopf. «Nicht hier.»
Pitter, der gelangweilt an der Zellentür lehnte, brummelte vor sich hin. «Was is’ denn nun, wollt Ihr zu der Alten oder nicht?»
Also betraten sie gemeinsam die Zelle, die hinter ihnen wieder zugeknallt und verriegelt wurde.
Ludmilla kauerte auf ihrer Strohschütte, vor sich eine Schale mit Haferbrei, und blickte ihnen aus eingefallenen Augen entgegen.
«Du schon wieder», stellte sie lapidar fest. «Und heute hast du deinen Gemahl mitgebracht. Wozu?»
Neklas ging neben ihr in die Hocke und begann, die alte Frau zu untersuchen, ohne auf ihren Protest zu achten.
«Du solltest den Brei essen», befand er. «Sonst verlassen dich deine Kräfte.»
Ludmilla schüttelte den Kopf. «Die haben mich schon lange verlassen, mein Junge. Da könnt auch Ihr nichts dran ändern.»
«Ludmilla.»
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