Mord im Dirnenhaus
Schloss, sondern schob auch noch den schweren Riegel vor. Sollte er doch sehen, wie er wieder hereinkam.
Sie stapfte zurück in die Küche und ließ sich am Tisch nieder. Ihr Gesicht brannte von der Hitze, die in ihr aufgestiegen war.
«Herrin, soll ich meine Flickwäsche woanders machen?», fragte Franziska zaghaft.
«Was?» Mit noch immer vor Zorn blitzenden Augen hob Adelina den Kopf. Sie blickte von der verunsicherten Magd auf deren großen Wäschekorb und ließ die Schultern hängen. «Nein. Nein, bleib nur hier. Ich habe noch in der Apotheke zu tun. Sag Magda Bescheid, dass sie sich später um das Abendessen kümmern soll. Und versuch, meinen Vater aufzuwecken.» Sie wies mit dem Kinn auf Albert, der von der ganzen Aufregung nichts mitbekommen hatte und leise schnarchte.
***
Neklas kam erst spät in der Nacht zurück. Adelina überließ es Ludowig, ihm die Tür zu öffnen. Noch immer lag die Wut wie ein kleiner heißer Ball in ihrer Magengrube. Als Neklas dann noch nicht einmal hinauf ins Schlafzimmer kam, sondern sich den Geräuschen nach erneut im Keller zu schaffen machte, ballte Adelina die Fäuste. Sie würde nicht nach unten gehen und ihn fragen. Wenn er ein Geheimnis vor ihr haben wollte, sollte er ihretwegen daran ersticken.
Sie kniff die Augen zusammen, um die Zornestränen zurückzuhalten.
Irgendetwas war mit diesem Thomasius. Neklas schien ihn offensichtlich sehr gut zu kennen – und zu fürchten. Was tat er bloß da unten? Sie war bereits drauf und dran, ihre Füße über die Bettkante zuschwingen, da hörte sie seine Schritte auf der Stiege. Rasch drehte sie sich auf die andere Seite und stellte sich schlafend.
Sie hörte, wie Neklas die Tür leise öffnete und an das Bett herantrat. Er blieb eine ganze Weile dort stehen. Adelina rührte sich nicht. Dann spürte sie, wie er ihr eine Haarsträhne mit den Fingerspitzen hinters Ohr strich. Im nächsten Moment entfernten sich seine Schritte wieder. Er verließ den Schlafraum, und wenig später hörte sie ihn wieder in den Keller gehen.
Adelina öffnete die Augen und starrte in die Dunkelheit. Sie wusste, es war kindisch, sich schlafend zu stellen anstatt mit Neklas zu reden.
Eine Weile wartete sie noch, aber er kam nicht wieder herauf. Irgendwann fiel sie in einen unruhigen Schlaf.
Am Morgen, als sie völlig übermüdet aufstand, hatte Neklas das Haus bereits verlassen. Auf dem Küchentisch lag ein Wachstäfelchen, auf dem er vermerkt hatte, dass er nach Bonn geritten sei und nicht vor dem nächsten Morgen zurück sein würde.
Was um Himmels willen suchte er in Bonn, dem Aufenthaltsort des Erzbischofs? Missmutig bereitete Adelina das Frühstück und ließ Magda danach Griet zu ihrem Unterricht bringen.
Die Arzneien für die Dirnen hatte Adelina in einen Korb gepackt, der hinter dem Verkaufstresen in der Apotheke stand.
Sie überlegte, ob sie sie zum Gefängnis bringen sollte. Doch da es ihr als Apothekerin untersagt war, Behandlungen vorzunehmen, beschloss sie, doch auf Neklas zu warten. Also öffnete sie die Apotheke und kümmerte sich zunächst um das Tagesgeschäft.
Kurz vor dem Mittag erschien Meister Leuer in Begleitungder Burgfrau von Raderberg sowie deren Tochter Mira.
Adelina seufzte innerlich. An das neue Lehrmädchen hatte sie überhaupt nicht mehr gedacht.
Sie begrüßte die Burgfrau und wies dann Franziska an, rasch den Schlafraum für Mira zu richten.
Das Mädchen war für seine elf Jahre knochig und hoch aufgeschossen. Sein dunkelbraunes Kleid war aus einem teuren Stoff gefertigt, der im einfallenden Licht fast schwarz schimmerte. Eine merkwürdige Farbe für ein kleines Mädchen, schoss es Adelina durch den Kopf.
Miras hellblondes Haar war zu festen Schnecken geflochten und größtenteils unter einem ebenfalls braunen Schleier verborgen.
Fast wie eine kleine Nonne, dachte Adelina und erinnerte sich daran, dass das Mädchen von seinem Stiefvater fürs Kloster bestimmt worden war.
Mira blickte die ganze Zeit, die das Gespräch mit ihrer Mutter dauerte, zu Boden. Erst als diese Mira zum Abschied ansprach und in ihre Arme zog, konnte Adelina sehen, dass das Mädchen hellblaue Augen hatte, die intelligent in die Welt blickten. Intelligent und ein wenig verschlagen, wie Adelina fand.
«Wie muss ich Euch ansprechen?», fragte Mira, als ihre Mutter und Meister Leuer die Apotheke verlassen hatten und Ludowig ihre beiden Gepäcktruhen hereintrug.
«Meisterin ist die richtige Anrede während der Arbeitszeit. Ansonsten kannst
Weitere Kostenlose Bücher