Mord im Dirnenhaus
du auch Frau Adelina sagen», erklärte Adelina und musterte das Mädchen erneut. Mira nickte, zog jedoch ihre lange Nase kraus, die später einmal ungemein vornehm wirken würde.
Nicht verschlagen, korrigierte Adelina sich im Geiste. Aufmüpfig. Vermutlich hielt Mira diese Lehrstelle für unter ihrer Würde.
«Komm, ich zeige dir deine Schlafkammer», sagte sie und winkte Mira, ihr zu folgen.
Sie wies das Mädchen an, sich einzurichten und danach in das Hinterzimmer der Apotheke zu kommen. Dort zeigte sie Mira, wie sie die leeren Glasgefäße, die Franziska am Vortag gespült hatte, auf Hochglanz polieren sollte.
Mira verzog zwar gelangweilt die Mundwinkel, tat aber, wie ihr geheißen.
Zwar regnete es noch immer, dennoch war am heutigen Tag ein großer Andrang in der Apotheke. Vor allem das Gliederreißen plagte die Leute nach dem Wetterumschwung. Schon bald wusste Adelina kaum noch, wo ihr der Kopf stand.
Gerade bediente sie eine ihrer Nachbarinnen, während vier weitere Kunden, alles Männer aus den umliegenden Geschäften, schon ungeduldig vor dem Tresen anstanden, als Griet mit Franziska von den Beginen zurückkam.
Adelina, die inzwischen leicht gereizt war ob des Ansturms von Kunden, sah Griet streng an. «Heute bist du aber spät. Los, beeil dich! Diese Herren hier wollen bedient werden. Du hast einiges zu tun, mir zu helfen.»
Griets Augen weiteten sich erschrocken, und sie blickte ungläubig von den Männern zu Adelina.
«Ein hübsches Ding», schmunzelte einer von ihnen. «Aber ein wenig langsam, will mir scheinen.»
Griet wich ein wenig vor ihm zurück.
Adelinas Augen verengten sich, als sie sich erneutan das Mädchen wandte. «Nun los, mach schon. Zieh dich um und sieh zu, dass du an die Arbeit kommst! Du siehst doch, was hier los ist», zischte sie.
Griet presste ihre Lippen zusammen, dann rannte sie wie von Furien gehetzt aus dem Zimmer.
«Ja, ja, Kinder», meinte der Kunde, der als Nächstes an der Reihe war. «Man muss sie fest im Zaum halten, sonst geraten sie schlecht.»
Adelina, der die harschen Worte bereits wieder leidtaten, nickte zerstreut. «Was wünscht Ihr, Meister Bäcker?»
«Ein Lächeln auf Euren Lippen und einen Tiegel Salbe für mein Weib.» Er zwinkerte ihr aufmunternd zu. «Ihr wisst schon, dieses stinkende Zeug für ihre Gelenke.»
Adelina nickte und tat ihm den Gefallen, die Lippen zu einem feinen Lächeln zu verziehen. Sie mochte den Bäckermeister, der sein Geschäft auf der anderen Seite des Marktplatzes hatte und dessen teigiges Gesicht selbst an ein fröhliches Brot denken ließ.
Sie verkaufte ihm die Salbe und bediente auch die nächsten Kunden. Dabei wurde sie schon wieder leicht gereizt. Wie lange konnte es dauern, sich für die Arbeit umzuziehen?
Heute gaben sich die Kunden tatsächlich die Klinke in die Hand. Gerade betraten erneut zwei Frauen die Apotheke. Im selben Moment hörte Adelina Stimmen aus dem Hinterzimmer. Was war denn dort los? Sie zwang sich, ruhig zu bleiben und die Kundinnen zuvorkommend zu bedienen. Doch kaum waren diese gegangen, als sich die Tür schon wieder öffnete.
«Bleib hier, du dumme Gans!», hörte sie Mira aus dem Hinterzimmer. Verwundert hob sie den Kopf undlauschte. «Was bist du überhaupt für eine? So kannst du dich doch nicht sehen lassen!»
Adelina schüttelte den Kopf und blickte dem Mann, der die Apotheke betreten hatte, mit säuerlichem Lächeln entgegen.
«Meister Winkler, was führt Euch zu mir?»
Der Apotheker hatte eine höflich-freundliche Miene aufgesetzt, doch in seinen Augen glitzerte es falsch. «Die pure Neugier, meine Liebe», antwortete er. Sein Kinnbärtchen schien sich zu sträuben. «Ich habe mitbekommen, dass Ihr heute Euer Lehrmädchen …»
Aus dem Hinterzimmer kam ein Rumpeln und erneut aufgeregte Stimmen. Adelina blickte über die Schulter. «Entschuldigt mich bitte einen Moment, Meister Winkler. Anscheinend gibt es ein kleines Problem. Ich bin gleich wieder da.»
Mit gerunzelten Brauen ging Adelina zur Hintertür und öffnete sie. Die strafenden Worte blieben ihr jedoch im Halse stecken, als sie sah, was in dem Zimmer vor sich ging.
Mira hielt Griet mit eisernem Griff umfangen. Das kleine Mädchen wehrte sich und trat um sich, als sei es verrückt geworden.
«Was geht hier vor?»
Mira blickte zu Adelina auf und verzog ihr Gesicht zu einer halb ängstlichen, halb höhnischen Miene. «Ich versuche, die Kleine hier festzuhalten, das seht Ihr doch … Meisterin», fügte sie rasch hinzu,
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