Mord im Dirnenhaus
eingezogen wäre.» Er nahm ihre Hand und strich sanft über ihre Fingerspitzen, was ihren Herzschlag ins Stolpern brachte. «Im Grunde ist es nur meinem eigensinnigen Herzen zuzuschreiben, dass ich an jenem Tag nicht gleich auf der Schwelle der Apothekentür kehrtgemacht habe. Und nun bereite ich dir nichts als Sorgen und Kummer.»
«Das mag sein.» Adelina sah ihm in die Augen, die für einen Moment schmerzvoll aufflackerten. «Wenigstens im Augenblick. Allerdings …» Sie drückte seine Hand und holte gleichzeitig tief Luft, um die nächsten Worte rasch herauszubringen. «Allerdings hast du nicht bedacht, dass auch ich ein eigenwilliges Herz habe.»
Um seine Mundwinkel zuckte es. «Du wolltest es nicht hergeben.»
«Das habe ich aber.»
«Widerwillig.»
«Äußerst widerwillig. Aber ich werde es nicht von dir zurückfordern.»
Mit einem halben Lachen stieß er die Luft aus. Es klang zutiefst erleichtert. «Ich habe dich nicht verdient.»
«Das ist wahr.» Lakonisch lächelnd nahm sie nunauch noch seine andere Hand. «Neklas, was ist los? Ich mache mir die größten Sorgen.»
«Und du tust gut daran.» Widerstrebend löste er sich von ihr, stand auf und ging zum Tisch. Dort drehte er sich wieder zu ihr um. «Ich bin einem Dämon meiner Vergangenheit begegnet, und ich befürchte, er hat noch immer Macht über mich.»
«Thomasius.» Sie legte den Kopf auf die Seite, als er nickte.
«Sein Lebenszweck scheint es zu sein, mir das Leben zur Hölle zu machen. Warum sonst hat er mich hier aufgespürt?»
«Hat es etwas mit dem Ketzerprozess in Italien zu tun?», hakte Adelina nach. «Als sie dich beinahe verurteilt hätten?»
«Beinahe ist gut. Adelina, sie hatten mich verurteilt. Wären mir damals nicht mächtige Freunde zur Seite gewesen, hätte mein Leben auf dem Scheiterhaufen geendet.» Er blickte zur Decke. «Ja, es hat damit zu tun. Damit und mit noch einigen anderen Dingen, von denen ich dir noch nicht erzählt habe.»
«Andere Dinge?» Adelina hob argwöhnisch die Augen. «Schlimmer als die Anklage wegen der Leiche, die du damals heimlich seziert hast?»
«Schlimmer vielleicht nicht.» Neklas ging nervös auf und ab. «Jedenfalls nicht zur damaligen Zeit.» Er hielt inne. «Es war übrigens nicht nur eine Leiche.»
Adelina riss die Augen auf. «Du hast noch mehr Tote aufgeschnitten?»
Neklas hob die Schultern. «Hätten sie mich wegen eines Vorfalls gleich verbrennen wollen?» Bevor sie etwas sagen konnte, hob er die Hand. «Ob nun eine oder drei oder zehn … Das ist es nicht, was Thomasius fürmich so gefährlich werden lässt. Zwar war er beim Prozess einer meiner Ankläger, und sicherlich sticht es ihn bis heute, dass er das Urteil nicht vollstrecken konnte, aber was viel gefährlicher ist: Er weiß noch etwas anderes über mich. Und das könnte in der jetzigen Situation dein … unser Untergang sein.»
Nun stand auch Adelina auf und trat ihm entgegen. «Was weiß er über dich?»
Neklas fasste sie an den Schultern und brachte sie dazu, sich wieder hinzusetzen. «Du erinnerst dich sicher, dass ich dir erzählt habe, in Italien wimmele es von Giftmischern, weshalb ich als Medicus dort ein äußerst einträgliches Geschäft hatte.»
«Du warst reich.»
«Wohlhabend», korrigierte er. «Ja, das war ich; bin es jetzt noch. Und an dem verdienten Geld ist auch nichts Anrüchiges. Wohl aber, zumindest in Thomasius’ Augen, daran, wie es mir gelungen ist, so erfolgreich zu sein.» Wieder hielt er inne und setzte sich nun ebenfalls wieder. «Ich weiß, du hast die Alchemie schon immer gehasst. Die Suche nach dem Stein der Transmutation. Dein Vater ist darüber krank geworden.»
Sie hob ahnungsvoll die Brauen, sagte jedoch nichts. Also fuhr er fort: «Du weißt, auch ich kann mich für die Wissenschaft begeistern. Mag sein, ich gehe dabei planvoller vor, als dein Vater es getan hat. Das hat seine Gründe. Denn bei den vielen Experimenten, die ich seit Jahren durchgeführt habe, entdeckte ich so manches, was mir bei der Arbeit als Medicus hilfreich war. Also begann ich neben meiner Suche auch noch gezielt mit solchen Substanzen zu experimentieren, die als giftig galten und aufgrund derer schon so mancher einen frühzeitigen Tod erleiden musste.»
«Du hast also selbst Gift gemischt.» Adelina schüttelte entsetzt den Kopf.
Er nickte und machte zugleich eine verneinende Geste. «Nicht, um jemandem zu schaden, sondern um Gegenmittel zu finden. Und das ist mir hin und wieder sogar gelungen.»
«Und
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