Mord im Dirnenhaus
sich hin brabbelte, schwiegen alle betreten.
Adelina wusste, dass sie ihnen vertrauen konnte, doch war sie ihnen auch eine Erklärung schuldig. Doch die wollte sie zunächst einmal selbst.
***
Neklas schlief noch immer und verpasste somit auch das Mittagessen. Adelina stellte ihm etwas von dem gebackenen Hühnchen beiseite und entließ dann das Gesinde für ein paar freie Stunden. Magda verkündete, sie wolle ihre Schwester besuchen, und auch Ludowig hatte einen Verwandtenbesuch geplant. Franziska half Adelina zunächst, die Küche aufzuräumen.
«Ich weiß nicht so recht, ob ich gehen soll, Herrin. Soll ich meinen Vater besuchen? Die Leyendecker Mechthild hat gesagt, dass er jetzt wieder am Hafen arbeitet. Sie sagt, er säuft nicht mehr so viel und hätte nach mir gefragt. Soll ich hingehen?»
Adelina stapelte die Zinnteller auf dem Spülstein und wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab. «Ich weiß es nicht, Franziska. Das ist ganz allein deine Entscheidung. Er hat dich nicht gut behandelt, und wenn du Angst hast, dass er dich wieder schlägt, solltest du lieber hierbleiben.»
Mit nachdenklicher Miene begann Franziska, die Essensreste von den Tellern zu kratzen. «Davor habe ich keine so große Angst. Aber beim letzten Mal hat er so gemeine Sachen über mich gesagt, die gar nicht stimmen. Das macht er immer, wenn er zu viel Bier getrunken hat.» Sie spülte die Teller rasch mit kaltem Wasser ab, wischte sie trocken und stellte sie ins Regal zurück. «Andererseits ist er noch immer mein Vater. Vielleicht gehe ich doch hin. Ich kann ja gleich wieder gehen, wenn er gemein wird.»
«Ja, das kannst du», stimmte Adelina mit einem aufmunternden Lächeln zu.
«Dann laufe ich gleich los.» Franziska strich sich ihr Kleid glatt, schlüpfte in die Holzpantinen, die sie neben der Küchentür abgestellt hatte, und griff sich das kleine Bündel mit altbackenem Brot und einem Tiegel Apfelmus, das ihr Adelina geschenkt hatte. «Ich bin rechtzeitig vor dem Abendläuten zurück, damit ich Euch helfen kann, Vitus zu baden.» Damit rannte sie davon, und Adelina seufzte leise.
Wie ruhig es plötzlich im Haus war! Ihr Vater hatte sich zu seinem üblichen Mittagsschläfchen zurückgezogen, Vitus spielte in seiner Kammer mit Fine. Adelina liebte diese ruhigen Sonntagnachmittage und hätte ihn auch heute genossen, wenn ihr nicht ständig tausend Fragen im Kopf herumgewirbelt wären.
Sie ließ sich auf der Ofenbank nieder und faltete dieHände im Schoß. Für einen Moment schloss sie die Augen und versuchte, sich zu entspannen.
Ein leises Kratzen an der Tür und das Tapsen von Pfoten auf dem Steinboden ließen sie die Augen wieder öffnen. Der Hund – Moses – hatte sich vor sie gesetzt und stupste mit seiner Nase gegen ihr Knie. Vorsichtig strich sie ihm über den Kopf und die lustig abgeknickten Ohren. Er ließ es sich gefallen und leckte ihre Fingerspitzen. Da kam ihr eine Idee. «Ob du dich wohl baden lässt?» Sie blickte dem Hund in die Augen, und er wedelte leicht mit dem Schwanz.
Entschlossen stand sie auf, holte einen Wäschezuber und machte Wasser heiß.
Wenig später hatte sie Moses in den Zuber gehievt und schrubbte sein Fell mit dünner Seifenlauge. Er ließ es sich ohne Protest gefallen, auch als sie ihn mit einem großen Leinentuch trocken rubbelte und dann begann, sein Fell mit einem alten beinernen Kamm zu entwirren.
«Sieh da, du bist ja sogar richtig hübsch», murmelte sie zufrieden, als sie fertig war, und kraulte ihn hinter den Ohren.
«Was ist das denn?»
Erschrocken fuhr sie herum und sah Neklas in der Tür stehen. Er lehnte wieder einmal am Türstock und schien sie schon eine Weile beobachtet zu haben. In seinen Augen funkelte der Schalk.
«Das ist ein Hund. Er heißt Moses.»
«Guten Tag, Moses.» Neklas grinste und trat auf den Hund zu, der ihn sogleich neugierig beschnüffelte und offenbar für in Ordnung befand, denn er wedelte und leckte auch ihm die Fingerspitzen.
«Lass mich raten.» Neklas setzte sich neben sie. «DerHund ist dir ebenso zugelaufen wie ich damals, und nun überlegst du, ob du mich nicht gegen ihn austauschen solltest. Vermutlich ist er wesentlich pflegeleichter als ich.»
Adelina schüttelte den Kopf. «Austauschen? Was ist das für ein …»
«Unsinn, meinst du? Sei nicht zu voreilig.» Er legte den Kopf auf die Seite. «Glaub mir, ich habe letztens recht ausführlich darüber nachgedacht, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn ich damals woanders zur Untermiete
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