Mord im Dirnenhaus
Adelina sich auf. «Sie hat doch gar keine …»
«Adelina!» Neklas hob mahnend die Hand. «Wir können im Augenblick nichts für sie tun. Sie ist zäh, das weißt du selbst. Wir sollten uns lieber darauf konzentrieren herauszufinden, wie das verdammte Gift in dein Konfekt gekommen ist.» Seine Stimme war zu einem eindringlichen Raunen geworden.
Adelina nickte widerstrebend. Natürlich hatte er recht. «Es muss jemand aus dem Stadtrat gewesen sein.»
Ein Eselskarren, hoch beladen mit Mist und Fäkalien, kreuzte ihren Weg. Sie blieben in angemessenem Abstand stehen und ließen den Goldgräber mit seiner stinkenden Fracht vorüberziehen. Adelina dachte kurz an ihre eigene volle Abortgrube und ärgerte sich, dass der Henker noch immer niemanden geschickt hatte, sie zu leeren.
Erst als sie weitergingen, antwortete Neklas. «Falls es tatsächlich einer der Räte war oder einer der Anwärter auf das Rats- oder Schöffenamt, haben wir ein Problem. Ich glaube nämlich nicht, dass hier nur Amtsneid im Spiel war.»
«Du meinst, weil gleich zwei Männer getötet wurden?» Adelina dachte über seine Worte nach. «Gehen wir davon aus, dass also auch Keppeler mit Absicht vergiftet wurde und nicht bloß durch einen unglücklichen Zufall, so müssten beide Morde von langer Hand und bis ins letzte Detail geplant worden sein.»
«Und dann müssten wir des weiteren davon ausgehen,dass beide aus ein und demselben Grund getötet wurden», ergänzte Neklas.
Adelina nickte zustimmend. «Aber aus welchem? Waren sie beide Verräter? Dann hat sie jemand aus dem Weg geräumt, bevor sie den Verhandlungen mit dem Erzbischof schaden konnten.»
«Klingt plausibel», stimmte Neklas ihr zu. «Es gibt aber auch noch eine andere Möglichkeit. Und die scheint mir nach der Aussage dieser Elsbeth noch wahrscheinlicher: Sie waren einem anderen Verräter auf der Spur. Jemandem, der die neue Stadtverfassung, den Verbundbrief, untergraben wollte. Und dieser Jemand hat gewusst, dass sie kurz davor waren, ihn zu entlarven.»
«Also hat er sie vergiftet», ergänzte Adelina. «Dann müsste der Täter also gar nicht zwingend im Stadtrat sitzen.»
«Nicht unbedingt», bestätigte Neklas. «Nicht, wenn er von außen gedungen wurde. Wer hat das größte Interesse daran, dass der Verbundbrief vom Erzbischof nicht anerkannt wird?»
Adelina schauderte. «Hilger Quattermart von der Stesse.»
Neklas nickte grimmig. «Unser alter Bekannter. Hat er sich nach den Unruhen im vergangenen Winter nicht nach Siegen geflüchtet?»
«So sagte wenigstens Reese.» Adelina zog die Stirn in Falten. «Dort kann ihm niemand wegen seiner Untaten beikommen. Auch nicht wegen der Sache mit dem Beginenhospital.»
Neklas legte ihr fürsorglich den Arm um die Schulter. Im ersten Moment versteifte sie sich, doch dann ließ sie es zu. «Neklas, er hat unschuldige Menschen, hilflose Menschen töten lassen, und nur wegen eines Hauses!»
«Ich weiß. Er würde auch Ratsmitglieder vergiften, um die Macht über die Stadt zurückzugewinnen.»
Mittlerweile hatten sie den Fischmarkt überquert und waren nur noch wenige Schritte vom Hafen entfernt. Es roch nach Fisch, brackigem Wasser und einem Sammelsurium von menschlichen Ausscheidungen. Adelina legte einen schnelleren Schritt vor, um näher an das Rheinufer zu kommen. Dort war die Luft etwas besser, da der Wind, der den großen Strom immer begleitete, dort stärker zu spüren war und den Gestank mit sich forttrug.
Fliegende Händler, Hehler und Schreiber mit Wachstafeln und Bestandslisten wuselten zwischen den Hafenarbeitern herum. Das Stimmengewirr setzte sich aus den unterschiedlichsten Sprachen und Dialekten zusammen. Ständig landeten in Köln Handelsschiffe mit Waren aus aller Herren Länder; wurden be- und entladen. Die großen Lastkräne rumpelten und quietschten.
Adelina beobachtete, wie mit einer dieser komplizierten Holzkonstruktionen ein lebendes Pferd von einer großen Kaufmannskogge gehievt wurde, während daneben drei bullige Arbeiter dabei waren, eine schwarze Kutsche aus edlem Holz zusammenzubauen.
Suchend sah Neklas sich um. «Bist du sicher, dass dein Händler heute hier ist?»
Auch Adelina blickte sich um, konnte jedoch kein bekanntes Gesicht ausmachen. «Er hat mir bei unserem letzten Treffen den heutigen Tag genannt. Er muss irgendwo sein.»
Plötzlich blieb Neklas stehen und hielt Adelina am Arm fest. «Dort drüben.» Er wies mit dem Kinn in Richtung einer großen Hafenwirtschaft. «Siehst du die
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