Mord im Dirnenhaus
weiter. «Wer auch immer der Täter ist, hat vielleicht gehofft, dass man sie anklagt, doch für seine Zwecke eingespannt hat er sie nicht.»
Sie bogen nun in eine Seitengasse ab, die geradewegszum Berlich führte. Hier trieben sich Hehler und abgerissene Gestalten herum, die jedoch gefährlicher aussahen, als sie wirklich waren. Es war ein ärmliches Viertel, doch der größte Teil der Bewohner ging dennoch einer zumindest einigermaßen legalen Tätigkeit nach.
«Steckt Mathys dahinter?» Adelina senkte ihre Stimme, obwohl nicht zu befürchten stand, dass jemand sie belauschte.
Neklas hob die Schultern. «Ich fürchte, ja. Zumindest dürfte er in die Sache verwickelt sein. Und da er nah mit Thönnes van Kneyart verwandt ist, hatte er auch sicherlich leichten Zugang zu dem Haussiegel. Wenn Thönnes dahintergekommen ist, dass sein Vetter ein falsches Spiel mit dem Stadtrat treibt, hat Mathys vielleicht keine andere Möglichkeit gesehen, als ihn aus dem Weg zu schaffen.»
«Aber warum auf diese Weise?» Adelina schüttelte ratlos den Kopf. «Wenn wir richtig vermuten, wurde das Konfekt vergiftet, als es bereits in Thönnes’ Hände gelangt war. Er hat es dann mit in das Dirnenhaus genommen, um es Elsbeth zu schenken, aß selbst davon und …»
«Das klingt merkwürdig, das ist wahr», stimmte Neklas zu. «Es scheint, als würde uns noch eine wichtige Information fehlen, die das Geheimnis aufklärt.»
Vor dem Haus
Zur schönen Frau
angekommen, bedeutete Neklas Adelina, auf der Straße stehen zu bleiben. Er pochte an die Tür, und als Mutter Berta öffnete, sprach er leise auf sie ein.
Adelina konnte ihre Antwort nicht verstehen, doch die Frau gestikulierte wild und schien keinesfalls von Neklas’ Anliegen angetan.
Entschlossen trat Adelina nun auch näher. «GuteFrau, dürften wir wohl für einen kurzen Augenblick mit Elsbeth sprechen?»
Verärgert musterte Mutter Berta sie. «Ich habe schon zu dem Herrn Medicus gesagt, dass das jetzt nicht geht. Elsbeth ist beschäftigt. Es ist nicht leicht, nach so vielen Tagen wieder unser tägliches Geschäft aufzunehmen. Meine Mädchen sind noch lange nicht wiederhergestellt, und Elsbeth hat die wenigsten Blessuren davongetragen.»
Diese offenen Worte sollten Adelina wohl schockieren, doch obwohl sie peinlich berührt war, ließ sie sich nichts anmerken. «Dann wird ihr eine kurze Pause doch sicher guttun, nicht wahr? Also würdest du sie wohl herausbitten?»
Die Vorsteherin des Dirnenhauses verdrehte verärgert die Augen. Offenbar wurde ihr klar, dass sich die beiden Besucher nicht so einfach abweisen ließen. «Also gut, ich sehe nach. Wollt Ihr so lange drinnen warten?»
«Nein, danke.» Adelina schüttelte den Kopf. «Wir bleiben hier draußen.»
Mutter Berta verschwand im Inneren des Hauses, und sie hörten undeutliche Stimmen nach draußen dringen.
Neklas verzog das Gesicht. «Offenbar ist sie tatsächlich beschäftigt.» Als ihn ein Tropfen an der Stirn traf, blickte er überrascht zum Himmel. «Es scheint Regen zu geben», sagte er überflüssigerweise, denn im nächsten Moment gesellten sich zu dem einen Tropfen weitere. Adelina zog sich ihre Haube fester ums Gesicht.
«Das wird dir nichts nützen.» Neklas schüttelte den Kopf und zog sie an der Hand ins Haus. Kaum hatten siedie Türschwelle überquert, als der Regen auch schon in dichten Fäden auf die Erde niederprasselte.
Die Tür fiel hinter ihnen zu, und sie standen in beinahe völliger Finsternis in einem schmalen Gang.
Neklas schob den schweren wollenen Vorhang beiseite, der die Wohnräume abschirmte, und sie betraten einen kleinen, niedrigen Raum.
Hier stand ein massiver Eichentisch mit zwei Bänken. Auch an den Wänden befanden sich weitere Sitzgelegenheiten, die mit dicken Polstern belegt waren, deren Stoffbezug arg verschlissen aussah.
Adelina blickte sich neugierig um. «Keine sehr gastliche Umgebung», befand sie.
Vor irgendwo hörten sie undeutliche Stimmen. Offenbar bemühte sich Mutter Berta, Elsbeths Freier dazu zu überreden, die junge Dirne für eine kurze Weile gehen zu lassen.
Neklas durchmaß den Raum mit wenigen Schritten und schob einen weiteren dicken Vorhang beiseite, der diese Kammer von der angrenzenden trennte.
Das hintere Zimmer entsprach in der Möblierung der ersten, jedoch standen dort statt des großen Tisches weitere gepolsterte Bänke mitten im Raum. Rechts ging eine sehr schmale Stiege hinauf in das obere Geschoss. Dort oben mussten sich wohl die Kammern der
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