Mord im Dirnenhaus
Dirnen befinden.
Adelina folgte Neklas und prallte beinahe gegen ihn, als er plötzlich wie angewurzelt stehen blieb. Sie blickte über seine Schulter und erstarrte. In der linken Ecke des Hinterzimmers wurde eine Bank von zwei Menschen belagert; der dicken Trin und einem Mann in Schuhmacherkleidung.
Der Mann hatte eine Hand tief in Trins Ausschnittvergraben. Wo ihre Hände sich befanden, konnte man in dem von leisem Gekicher begleiteten Gerangel von Gliedmaßen nur vermuten.
Adelina zog sich eilig wieder in das vordere Zimmer zurück. Neklas wandte sich ebenfalls mit betretenem Gesicht ab und folgte ihr.
In diesem Moment wurden Schritte auf der Stiege laut, und gleich darauf erschienen Mutter Berta und Elsbeth.
«Dass Ihr mir die Kleine aber nicht zu lange mit Euren Fragen aufhaltet!», murrte Berta. «Sie hat einen Kunden oben, der nicht gerne wartet.»
«Schon wieder Fragen? Ich will keine Fragen mehr beantworten», jammerte Elsbeth mit weinerlicher Stimme. «Mein Thönnes ist tot, und ich werde niemals seine Frau sein können.»
Mutter Berta strafte sie mit einem spöttischen Blick und verzog sich ins Hinterzimmer. Elsbeth rieb sich mit dem Ärmel ihres fadenscheinigen Kleides über die Augen. «Was wollt Ihr schon wieder von mir?»
«Wir glauben, dass du uns helfen kannst, den Mörder deines Gönners ausfindig zu machen. Er läuft schließlich noch immer frei herum, und bestimmt willst auch du, dass Thönnes van Kneyart Gerechtigkeit widerfährt.»
«Wo gibt es schon Gerechtigkeit», maulte Elsbeth. «Und wie könnte ich Euch wohl helfen?»
«Indem du scharf nachdenkst», erklärte Adelina und verschränkte die Arme vor dem Leib. «Hat Thönnes jemals jemanden aus seiner Familie erwähnt, wenn er hier war? Seinen Vetter Mathys vielleicht? Hat er über ihn gesprochen? Wie stand er zu ihm?»
Elsbeths Miene verfinsterte sich schlagartig. «Mathysist ein Schwein», brach es voller Zorn aus ihr heraus. «Das sage ich, nicht Thönnes. Mathys war bei fast allen Befragungen im Gefängnis dabei, und es schien ihm Vergnügen zu bereiten, wenn der Folterknecht die Daumenschrauben immer enger drehte. Er hat dabei gelächelt! Und dabei gab er sich früher immer so freundlich.»
«Früher», hakte Neklas nach. «Heißt das, du warst schon länger mit ihm bekannt?»
«Sicher.» Elsbeth zuckte mit den Schultern. «Er war manchmal hier, jedenfalls bis zum Frühjahr. Seitdem haben wir ihn nicht mehr gesehen. Bei mir war er auch nie, er zog Alwina und Änne vor.»
«Hat Thönnes gewusst, dass sein Vetter hier im Haus ein und aus ging?»
«Bestimmt.»
«Also hat er hin und wieder über ihn gesprochen?», fragte Adelina noch einmal.
Doch Elsbeth schüttelte den Kopf. «Nie. Ich glaube, er mochte seinen Vetter nicht besonders. Wenn er überhaupt von seiner Familie sprach, dann nur von seiner Schwester. Die hatte er, glaube ich, sehr gern.»
Mit nachdenklichem Gesicht trat Adelina an eines der kleinen Fensterchen, schob die Schweinshaut beiseite, die die Zugluft abhielt, und blickte nach draußen. Es regnete noch immer in Strömen. Sie wandte sich wieder um. «Du hast gesagt, dass Thönnes dir gegenüber behauptet hat, er habe seiner Familie von seiner Verbindung zu dir erzählt. Frau Entgen sagte uns aber, dass sie nichts von dir gewusst habe.» Den Ring erwähnte sie lieber nicht. Vermutlich hatte Elsbeth keine Ahnung, dass er existierte, denn sonst hätte sie ihn bestimmt selbst bereits erwähnt.
«Das wundert mich nicht.» Elsbeth kicherte leise. «So, wie Thönnes sie mir beschrieben hat, wird sie wohl kaum erfreut gewesen sein, als er ihr von mir erzählt hat. Bestimmt war sie ihm deswegen böse. Thönnes sagte, sie ist manchmal anstrengender als eine Ehefrau. Aber er fand das nicht weiter schlimm, denn er wusste ja, dass sie nur um ihn besorgt war. Schließlich hat sie ja niemanden sonst, weil sie doch schon so lange Witwe ist und auch keine Kinder hat.»
«Also hat er Mathys nicht erwähnt», kam Neklas wieder auf das ursprüngliche Thema zurück. «Du hast uns doch erzählt, dass Thönnes irgendeiner Sache auf der Spur sei. Könnte die mit seinem Vetter zu tun gehabt haben?»
«Was habt Ihr nur dauernd mit diesem Mathys?» Elsbeths Augen verengten sich argwöhnisch. «Glaubt Ihr, er hat Thönnes umgebracht?»
«Wir glauben gar nichts.» Adelina kam wieder näher. «Wir halten es jedoch für möglich, dass Mathys etwas gegen seinen Vetter im Schilde führte, und dass Thönnes ihm bereits auf der Spur war.
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