Mord im Dirnenhaus
ich zumindest, dachte sie, setzte jedoch nichts weiter hinzu. Albert fand sich mit dieser Antwort ab. Aus alter Gewohnheit wischte er mit einem Leinentuch über den sauberen Verkaufstresen.
Neklas zog seinen Mantel aus und drückte ihn Adelina in die Hand. «Ich ziehe mir rasch trockene Sachen an, dann muss ich noch einen Besuch machen. Zum Essen bin ich aber wieder zurück.»
«Gehst du zur Weckschnapp?», wollte Adelina wissen, doch er hob nur mit einem Blick auf Albert die Schultern und verschwand durch das Hinterzimmer.
«Fleißig», sagte Albert. «Dein Gemahl ist sehr fleißig. Das ist ein feiner Charakterzug. Mit ihm bist du gut versorgt.» Er lächelte. «Aber dass er als städtischer Medicus auch die Gefangenen in den Gefängnistürmen betreuen muss, halte ich für sehr unvernünftig. In der Weckschnapp sitzt doch nur Gesindel ein, nicht wahr? Wasbrauchen die einen Arzt? Ein Bader täte es bestimmt auch, und der wäre viel billiger. Für solche Dinge verschwendet der Rat Geld!»
«Ist schon gut, Vater.» Beruhigend tätschelte sie seinen Arm. «Das sind ja nicht unsere Entscheidungen. Und Neklas hat einen guten Verdienst damit.»
«Mag sein, mag sein. Wo steckt eigentlich unsere kleine Griet? Ich habe sie den ganzen Morgen noch nicht gesehen!»
Adelina gab Mira ein Zeichen, die Gewichte der Waage wieder einzusammeln und zu verstauen, während sie antwortete: «Griet ist bei den Beginen in der Mühlengasse. Sie lernt dort bei Frau Martha Lesen, Schreiben und Rechnen.»
«Die Beginen geben Unterricht? Wie schön, dann muss das Kind nicht in diese teure Klosterschule, wo mehr mit der Rute als mit dem Griffel gearbeitet wird.» Albert nickte anerkennend. «Ich hoffe, sie ist ebenso fleißig wie ihr Vater und lernt gut.» Er zog seine Tochter ein Stück beiseite und senkte seine Stimme. «Mira jedenfalls ist sehr gescheit. Du solltest sie für ihr verständiges Lernen belohnen.»
«Belohnen?» Adelina hob die Brauen. Die Idee war nicht schlecht. Mira gab sich schließlich nicht immer so einsichtig. Vielleicht half eine kleine Belohnung dabei, ihrem Eifer auf die Sprünge zu helfen.
Adelina bat ihren Vater, noch ein Weilchen in der Apotheke zu bleiben, während sie sich ebenfalls umzog und ihre Kleider sowie Neklas’ Mantel am Ofen in der Küche zum Trocknen aufhängte. Dabei fiel ihr Blick auf die Schale mit dem Konfekt, die sie in eines der Regalfächer neben einen Behälter mit Aufgusskräutern gestellt hatte.
Franziska und Magda waren bereits eifrig dabei, das Mittagessen zu bereiten. Es roch köstlich nach geschmortem Gemüse und fetten, gebratenen Würsten. Genau das Richtige für einen nasskalten Herbsttag.
Bis zum Essen löste Adelina ihren Vater in der Apotheke ab. Albert beschloss daraufhin, sich ein Weilchen auf die Ofenbank zu legen und den Mägden zuzusehen. Erfreut, ihn so aufgeräumt zu sehen, setzte sich Adelina auf den Hocker in der Apotheke und wartete auf Kundschaft. Sie fragte Mira über die Waage aus und stellte fest, dass das Mädchen, wenn es wollte, tatsächlich eine rasche Auffassungsgabe besaß. Alle Fragen beantwortete sie ausführlich und richtig. Zufrieden gab Adelina ihr bis zum Essen frei.
Da sie nun allein war, rief sie sich noch einmal das Gespräch mit Elsbeth ins Gedächtnis. Im Grunde traten sie noch immer auf der Stelle. Und Reese brachte auch keinerlei Neuigkeiten. Es schien, als habe der Rat den Vorfall bereits als ungeklärtes Missgeschick abgetan.
Nein. Sie schüttelte über sich selbst den Kopf. Reese hatte ja erwähnt, dass die Verhandlungen mit dem Erzbischof Vorrang hätten. Doch immerhin sah es so aus, als habe zumindest der Mord an Thönnes van Kneyart direkt etwas mit diesen Verhandlungen zu tun. Das sollte Grund genug sein, den Giftmörder so rasch wie möglich zu stellen.
In einem Anflug von Ärger runzelte Adelina die Stirn. Dass die Aufklärung auf diese Weise verschleppt wurde, war im Grunde typisch für Köln. Möglicherweise wusste der Rat schon mehr, als er zugab, möglicherweise waren die Männer, die dazu abgestellt waren, Köln zu regieren, bereits über den Täter im Bilde. Vielleicht brachten sie ihr Wissen nur deshalb nicht ans Tageslicht, weildies einen Verlust an Autorität gegenüber den Bürgern bedeuten könnte. Der Verbundbrief war neu, die Tinte gerade getrocknet und das Wachs der Zunftsiegel eben erst erkaltet. Einigkeit war ganz sicher vonnöten. Handwerker, Kaufleute und das übriggebliebene Patriziat wollten vollständiges
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