Mord im Dirnenhaus
wollte er sich auch im Erdgeschoss so einen Behandlungsraum einrichten, wie ihn Doctore Bertini hatte. Neklas’ Freund, der italienische Medicus, hatte sich mit einem bekannten Chirurgen zusammengetan, und beide benutzten diesen Behandlungsraum nun für jene Patienten, die sich nicht zu Hause behandeln lassen konnten oder wollten. Eine äußerst praktische Einrichtung. Und für Neklas wäre sie noch sinnreicher, da er dann einen Vorrat seiner Arzneien nebenan bei ihr lagern könnte.
Was wiederum Probleme mit sich bringen könnte, überlegte Adelina. Denn Arzt und Apotheker durften keine gemeinsame Sache machen. Nicht einmal den Anschein dessen durfte es geben, sonst säße ihnen der Büttel gleich im Nacken.
Sie schüttelte den Kopf. Dies war eigentlich nicht das Thema, über das es sich im Augenblick Gedanken zu machen galt.
Adelina schob die kleinen Fläschchen mit ätherischen Ölen, die sie auf dem Tresen arrangiert hatte, hin und her.
Es half nichts, sie musste noch einmal mit den Hübschlerinnen reden. Wenn sie Glück hatte, waren die Frauen inzwischen in besserer Verfassung. Da dieVerhandlungen mit dem Erzbischof laut Reeses Aussage die Schöffen derzeit weitaus mehr beschäftigten, war zu hoffen, dass keine weitere peinliche Befragung stattgefunden hatte.
Auch wenn die Dirnen für eine angesehene Bürgerin verachtenswerte Kreaturen zu sein hatten, mit denen man besser nicht einmal auf größte Entfernung zusammentraf, taten sie ihr doch von Herzen leid. Das Leben, das sie führen mussten, war in keiner Weise erstrebenswert, und viele von ihnen waren vermutlich von Kindesbeinen an dazu gezwungen worden.
Adelina dachte an Griet mit ihren hübschen schwarzen Löckchen und den zerbissenen Handballen, und das Herz tat ihr weh. Doch als sie das erneute leise Gekicher vom nebenan hörte, lächelte sie und atmete tief durch. Griet hatten sie wenigstens vor diesem Schicksal bewahrt. Ganz gleich, was sie bereits erlebt haben mochte – Adelina bezweifelte, dass sie je alles erfahren würden – Griet war nun in Sicherheit und konnte ein normales Leben führen, ein Handwerk erlernen und sich auf ehrbare Weise den Lebensunterhalt verdienen.
***
Als Neklas am frühen Abend von seinen Patientenbesuchen zurückkam, hatten die Kopfschmerzen Adelina doch noch gezwungen, sich ins Bett zurückzuziehen. Sie hörte seine eiligen Schritte auf der Treppe und schob den stark riechenden Kräuterumschlag, den sie auf Stirn und Augen gelegt hatte, ein wenig hoch. Seine Schritte verharrten kurz vor der Tür, die er schließlich sehr leise öffnete.
«Komm herein, ich bin wach», forderte sie ihn mit einem Lächeln in der Stimme auf.
Neklas schloss die Tür hinter sich und trat zu ihr ans Bett.
«Du hast den ganzen Nachmittag gearbeitet», sagte er vorwurfsvoll.
«Jetzt liege ich ja, wie du siehst.» Sie verzog kläglich die Mundwinkel. Nicht nur ihr Kopf schmerzte. Auch ihr Magen begann langsam zu rebellieren. Sie rückte den Umschlag, der erneut über ihre Augen zu rutschen drohte, wieder zurecht.
«Hat Magda das Abendessen gerichtet? Sicherlich hast du Hunger.»
«Ja, sie warten auf mich.» Neklas ließ sich auf seiner Seite des Bettes nieder und betrachtete sie besorgt. «Soll ich dir etwas heraufbringen lassen?»
«Lieber nicht.» Allein beim Gedanken an Essen gerieten ihre Magensäfte in Bewegung. «Wenn ich mich jetzt ausruhe, geht es mir sicher morgen wieder gut.»
«Schön.» Sein Ton klang zweifelnd. «Es gibt übrigens eine bedeutsame Neuigkeit, die dich interessieren dürfte.» Er strich ihr leicht über die Wange und zuckte erschrocken zurück. «Du hast Fieber!»
Adelina nickte nur leicht. «Ein wenig. Was für Neuigkeiten?»
«Du bist nicht in der Verfassung …»
«Neklas!» Sie verdrehte die Augen. «Was für Neuigkeiten?»
Er blickte sie einen langen Moment an, dann schmunzelte er. «Also gut, vielleicht heitert es dich auf. Man hat die Hübschlerinnen auf den Berlich zurückgebracht.»
«Man hat sie freigelassen?» Adelina fuhr hoch und packte gleichzeitig den Umschlag, damit er an Ort undStelle blieb. Die hastige Bewegung schadete jedoch weniger ihren Kopf als vielmehr ihrem Magen. Sie kniff Augen und Lippen zusammen und atmete einige Male tief durch, bis sich die Übelkeit langsam wieder legte.
Liebe Zeit, was war nur mit ihr los? Sie öffnete die Augen wieder und starrte Neklas verblüfft an. «Sie haben die Frauen tatsächlich wieder frei gelassen?»
«So ist es.» Er nickte, konnte seine
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