Mord im Dirnenhaus
Das muss nicht bedeuten, dass Mathys ihn deswegen getötet hat, legt aber nahe, dass er vielleicht darin verwickelt ist. Hat er möglicherweise auch Freunde mitgebracht, wenn er hier … zu Gast war?»
«Mathys? Nein.» Elsbeth schüttelte entschieden den Kopf. «Der war immer alleine hier. Er kam auch immer zu Fuß. Hatte wohl Angst, dass man seine Sänfte erkennen würde. Thönnes kam auch meistens zu Fuß. Aber das tat er, damit Entgen die Sänfte immer zur Verfügung hatte. Er hat sie so gut wie nie benutzt.»
Adelina legte nachdenklich die Stirn in Falten. So kamen sie nicht weiter. Ein Blick auf Neklas zeigte ihr,dass auch er mit dem Verlauf des Gesprächs noch nicht zufrieden war.
Doch als er gerade eine weitere Frage stellen wollte, raschelte der Vorhang zum Hinterzimmer, und nacheinander traten der Schuhmacher und die dicke Trin ins Zimmer. Der Mann grinste dümmlich, zwinkerte der Dirne zu und murmelte einen Gruß. Mit einem neugierigen Blick auf Adelina und Neklas schob er sich durch den Raum und verschwand im Gang. Augenblicke später ging die Haustür.
Trin zupfte unbeeindruckt und ohne Scham ihr Kleid zurecht und zog den Ausschnitt so tief, dass man möglichst viel von ihrem ausladenden Busen zu sehen bekam.
«Elsbeth.» Sie stieß die junge Dirne unsanft an. «Wenn du nicht willst, dass dein Kunde da oben deine Kammer auseinandernimmt, solltest du dich langsam wieder um ihn kümmern.» Ihre Worte wurden von einem Lächeln in Neklas’ Richtung begleitet. Trin trat etwas näher an ihn heran und beugte sich ein wenig vor, sodass er vollen Einblick in ihr reizvolles Dekolleté bekam.
«Oh, sicher.» Achselzuckend wandte sich Elsbeth an Adelina. «Ich muss wieder rauf. Mehr kann ich Euch auch nicht sagen, bestimmt nicht.» Sie trat zu dem Wollvorhang, blieb stehen, drehte sich jedoch nicht um, als sie sprach: «Wenn Ihr den Mörder findet, gebt mir Bescheid. Ich will bei seiner Hinrichtung dabei sein.» Mit diesen ungewöhnlich harschen Worten verschwand sie im Hinterzimmer.
«Lass uns gehen.» Adelina fühlte sich mehr als unbehaglich in diesem Haus, und Trins unverhohlen einladende Blicke und Gesten stießen sie ab. Ohne sich umNeklas zu kümmern, stürmte Adelina hinaus auf die Straße. Sie schlug den Weg zum Alter Markt ein und stapfte mit gerafften Röcken durch den noch immer heftigen Regen. Ihre Schuhe wurden durchnässt, und mehrfach glitt sie fast in den morastigen Wasserlachen aus. Hinter ihr wurden eilige Schritte laut.
«Das letzte Mal, als du so vor mir davongerannt bist, bist du gestürzt und hast dir die Hand verstaucht.» Neklas hatte sie eingeholt und hielt sie am Arm fest, sodass sie stehen bleiben musste. Sie funkelte ihn gereizt an, doch er verzog die Mundwinkel nur zu einem spöttischen Lächeln. «Mit hundert nackten Heidinnen würdest du mich also allein lassen, wie?»
Adelina gab keine Antwort und ging etwas langsamer weiter. Doch Neklas blieb gutgelaunt an ihrer Seite. «Eigentlich müsste ich beleidigt sein, dass du mir so wenig guten Geschmack zubilligst. Dabei dachte ich, ich hätte ihn hinreichend bewiesen, als ich dich zur Frau nahm.»
Als sie ihn nun doch von der Seite ansah, lächelte er ihr liebevoll zu. «Dieser Besuch im Hurenhaus war in jeder Hinsicht aufschlussreich.» Er nahm ihren Arm und führte sie umsichtig um die tiefen Wasserlöcher herum. Der Regen ließ langsam etwas nach, dennoch waren sie einigermaßen durchnässt, als sie endlich zu Hause ankamen.
***
«Es war nicht ein Kunde hier», wurden sie von Mira begrüßt, als sie die Apotheke betraten. «Aber Meister Albert hat mir gezeigt, wie man die Waage benutzt und wie man auch ganz kleine Mengen genau abmessenkann.» Das Mädchen lächelte vergnügt. Adelina nickte ihr wohlwollend zu und wandte sich an ihren Vater: «Das war sehr nett von dir, Vater. Ich bin bisher noch nicht dazu gekommen, den Mädchen die Waage zu erklären.»
«Wir hatten genug Zeit dazu.» Albert machte ein ernstes Gesicht. «Das Geschäft scheint dieser Tage schlecht zu laufen, Lina. Nicht ein Kunde in der ganzen Zeit. Sag, schneiden sie dich, weil du als Frau mein Geschäft weiterführst?»
Überrascht blickte sie ihren Vater an. «Nein, Vater, deswegen nicht. Es …» Sie überlegte fieberhaft. Ihr Vater durfte nichts von den Geschehnissen erfahren. Die Aufregung würde ihm ganz sicher schaden. «Es ist heute einfach ein sehr ruhiger Tag. Du wirst sehen, spätestens morgen rennen sie mir wieder die Türe ein.»
Das hoffe
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