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Mord im Garten des Sokrates

Mord im Garten des Sokrates

Titel: Mord im Garten des Sokrates Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Berst
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bald wieder alles besser in Athen!»
Ich blieb auf der Schwelle stehen. «Was wird besser?», fragte ich. «Heute Morgen haben sie Jagd auf die Metöken gemacht.»
«Nikomachos, das ist nur ein Zwischenfall. Ich weiß es aus sicherer Quelle: Die Dreißig wollen einen Rat von dreitausend Bürgern einberufen und an der Regierung beteiligen», erklärte er hastig. «Sie werden ihre Macht nach und nach abgeben. Die Tyrannei geht zu Ende. Es ging ihnen nur darum, die Spartaner zu täuschen. Wir werden weise und milde regieren!»
«Wir?», fragte ich erstaunt und entsetzt zugleich.
Raios wiegte mit gespielter Verlegenheit den Oberkörper und trat einen Schritt näher. «Es heißt, mein Name stehe auf der Liste», sagte er in vertraulichem Ton. Seine Warze tanzte vor meinen Augen.
«Noch nie gab ein Tyrann seine Macht freiwillig ab», sagte ich und ging. Kritias war kein Mann, der teilen würde. Ich fühlte Raios’ Blick im Rücken. In diesem Augenblick war er mir völlig fremd.
Ich setzte das Stemmeisen unter das rechte Tor und hob es leicht an. Schon bildete sich ein kleiner Spalt zwischen den Flügeln. Jetzt musste ich sie nur mit einem Kantholz fixieren, dann konnte ich mit der Schneide meines Dolches in den Spalt fahren und versuchen, den inneren Riegel anzuheben. Zunächst ging es einfacher als erwartet, als hättee man den Riegel eigens für mich geschmiert. Doch plötzlich steckte er fest. Vorsichtig nahm ich den Hammer und trieb den Dolch mit leichten Schlägen nach oben. Der Riegel bewegte sich kein Stück weiter. Hatte Bias zwischenzeitlich einen Sicherungshaken in das Holz gehauen? War er überhaupt noch hier? Schweißperlen traten mir auf die Stirn. Ich gab einen etwas kräftigeren Schlag auf die Rückseite der Schneide, traf dabei aber so unglücklich, dass der Dolch aus dem Spalt schnellte und gefährlich nah an meinem Gesicht vorbeiflog. Er blieb hinter mir in der Erde stecken. Während ich mich nach der Klinge bückte, fluchte ich leise. Ich setzte das Messer ein zweites Mal an, als ich auch schon Schritte vom Innenhof her hörte. Ich war entdeckt.
«Wer ist da!», rief Bias, der versuchte, seiner Stimme einen möglichst sicheren Ton zu geben, aber ich hörte doch, wie sie zitterte. Zeus sei Dank hatten die Dreißig den kleinen Wärter noch nicht ausgewechselt.
«Bias, ich bin es», flüsterte ich durch den Spalt, «Nikomachos, dein alter Hauptmann, kennst du mich nicht mehr?»
«Hauptmann!», rief Bias, und für einen Moment wusste ich nicht, ob er mich begrüßte oder Hilfe herbeirief. Dann hörte ich, wie er den Riegel wegschob, und das Tor öffnete sich.
«Hauptmann!», sagte Bias noch einmal, sah verstohlen rechts und links die Straße hinunter und zog mich hinein.
«Komm schnell. Ich habe schon mit dir gerechnet.» Flink schloss er das Tor hinter sich. Jetzt war ich gefangen. War das ein Hinterhalt, wäre ich verloren. Hieß es nicht, man solle sich vor den Gezeichneten hüten?
«Woher wusstest du, dass ich kommen würde?», fragte ich den kleinen Wärter.
«Du warst der letzte Hauptmann der Toxotai, der seinem Amt Ehre machte», antwortete er und führte mich schon zum Hauptgebäude. «Ich wusste, du würdest deinen treuen Schreiber nicht im Kerker schmoren lassen, nur weil der ein Metöke ist. Beeilen wir uns. Ich habe Myson die sauberste und hellste Zelle gegeben, die ich hatte, aber ein Gefängnis ist keine Herberge.»
Obwohl nirgendwo ein Licht brannte und er kaum etwas sehen konnte, sprang Bias geschickt wie ein Wiesel die Außentreppe hinauf. Ich folgte ihm, so gut es ging. Bias’ wiegende, tanzende Schritte waren die gleichen wie noch vor vier Jahren. Damals war ich zum letzten Mal hier gewesen.
«Hier entlang, Hauptmann», flüsterte er, nachdem er die Tür geöffnet hatte. «Aber sei leise. Ich möchte nicht, dass die anderen Gefangenen etwas hören.»
Wir gingen durch einen langen, dunklen Gang. Ich folgte Bias’ leisen Schritten. Sie bildeten meine einzige Orientierung. Dann hörte ich, wie er eine Tür entriegelte, und der zarte Schimmer eines kleinen Lämpchens fiel in den Flur. Hinter Bias trat ich in die Zelle. Für einen Moment glaubte ich, Lysippos vor mir zu sehen, so hatten sie Myson zugerichtet. Sein Gesicht war zerschunden und blutverkrustet, rote Striemen liefen ihm über die mageren Arme. Myson sah auf. Obwohl man ihm so übel mitgespielt hatte, begannen seine Augen sofort zu strahlen.
«Hauptmann», flüsterte er und stand auf. «Also hat Bias recht behalten. Er hat

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