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Mord im Garten des Sokrates

Mord im Garten des Sokrates

Titel: Mord im Garten des Sokrates Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Berst
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geschehen.
«Schwert oder Speer?», wiederholte Myson meine Frage und zeigte auf Lysippos Stumpf.
«Speer», gab er zur Antwort, «und wenn ihr es genau wissen wollt: Es war Epitadas’ Speer – bevor ich ihm mit meiner Axt den Schädel gespalten habe. Aber das glaubt ihr mir doch nicht. Niemand glaubt mir das.» Lysippos wandte sich ab. Ein plötzliches Zittern ergriff seinen Körper.
«Ich glaube dir», sagte Myson und lächelte Lysippos respektvoll, fast untertänig an. Ich konnte kaum fassen, wie Myson diesen Säufer behandelte. Ich glaubte Lysippos kein Wort. Vor uns saß gewiss kein Mann, der einen spartanischen General erschlagen hatte.
«Kennst du einen Juwelier namens Hermogenes?», fragte Myson, der mit einem Mal das Thema wechselte.
«Nein, nicht dass ich wüsste», log Lysippos, dessen Körper wieder eine gespannte Haltung annahm.
«Das ist merkwürdig», sprach Myson weiter, «er kennt dich nämlich gut. Und er hat uns eine üble Geschichte über dich erzählt. Über dich und einen Ring.»
«Er lügt!», rief Lysippos – zu schnell, viel zu schnell, wie er selbst erkannte. Der Schreck blitzte kurz in seinem Gesicht auf, doch augenblicklich beherrschte er sich, und seine Züge nahmen wieder den Ausdruck des unverstandenen Säufers an.
«Langsam», sagte Myson beruhigend und ganz Lysippos’ Freund, «langsam. Wir machen es so, wie ihr euch damals an die Spartaner angeschlichen habt, langsam und vorsichtig. Hat euch nicht ein Mann aus Messenien in den Rücken der Feinde geführt? So machen wir es auch. Wir gehen ruhig und behutsam vor, wie dieser Messenier. Ich glaube Hermogenes auch nicht. Aber hör dir erst an, was er sagt: Hermogenes hatte einen Ring, einen ganz besonders schönen Ring: diesen hier!» Mit diesen Worten zog Myson die Kopie des Ringes aus dem Ärmel und hielt sie dem Strauchdieb unter die Nase.
Es ist schwer zu beschreiben, was in Lysippos’ Gesicht in diesem Moment vorging. Zunächst und für den Bruchteil eines Augenblicks erhellte sich seine Miene. Er erkannte den Schmuck. Geübter Lügner, der er war, gab er sich jedoch gleich wieder den Anschein der Teilnahmslosigkeit, was ihm aber nicht ganz glückte und nicht glücken konnte, bemerkte er doch im gleichen Moment, dass Myson ihm hier keinesfalls einen goldenen Ring mit schwarzer Perle, sondern eben nur ein hübsches Duplikat aus Bronze mit einem schwarzen Steinchen präsentierte. Was für eine Teufelei ist das?, sah man ihn sich stumm fragen. Hat Hermogenes mich denn nun schon wieder betrogen?
«Kennst du diesen Ring?», fragte Myson und legte dem Säufer die Hand auf die Schulter.
Lysippos schüttelte nur den Kopf.
«Hermogenes hat dich nämlich angezeigt. Du sollst ihn betrogen haben, und er will dich verklagen. Er sagt, du wärst vorgestern Abend, als es schon dunkel war, in seinen Laden gekommen und hättest ihm diesen Ring verkauft. Du hättest gesagt, er wäre echt, obwohl er nur aus Bronze ist. Dieser Vorwurf wiegt schwer, sehr schwer! Das weißt du genau.»
«Er lügt!», brüllte Lysippos zutiefst empört. «Ich soll ihn betrogen haben? Er hat mich betrogen! Das ist nicht der Ring, den ich ihm verkauft habe. Der war aus echtem Gold mit einer echten Perle. Und was hat er mir dafür gegeben? Fünf Drachmen! Er ist der Be…» Erschrocken hielt er inne und erbleichte, während gleichzeitig das unterwürfige Lächeln von Mysons Lippen wich und er den Ausdruck des alten, schlauen Habichts annahm, der er war.
«Du Sohn einer läufigen Hündin!», schrie Lysippos, und mit einer Kraft und Schnelligkeit, die ich diesem ausgemergelten Körper nicht zugetraut hätte, ging er meinem Schreiber an die Gurgel. Myson fiel gegen die Wand und stemmte Lysippos abwehrend die Arme entgegen. Ich sprang dazu, packte den Teufel von hinten und versuchte ihn von Myson wegzuziehen, aber der Kerl war zäh und böse wie ein Bluthund. Er ließ erst von der Kehle des armen Metöken, als ich ihm mit meiner ganzen Kraft den Hocker auf dem Schädel zerschlug. Das Holz splitterte in meinen Händen. Lysippos glitt an Mysons Körper entlang zu Boden und blieb liegen.
«Das war knapp», röchelte Myson, nachdem er Lysippos’ ohnmächtigen Körper mit den Beinen weggestoßen hatte, und totenbleich und hustend hielt er sich die Hände vor die Kehle, die ihm dieser alte Säufer beinahe eingedrückt hätte.
Ich brachte Myson aus der Zelle, verriegelte die Eichentür und bat einen Unteroffizier, der den Lärm gehört hatte und zu uns geeilt war, nach Lysippos zu

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