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Mord im Garten des Sokrates

Mord im Garten des Sokrates

Titel: Mord im Garten des Sokrates Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Berst
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waren offen. Stumpf blickte er zur Wand. Auch seine Lippen standen auf. Ein schmales Rinnsal trüben Speichels tropfte ihm aus dem Mundwinkel. Er scherte sich nicht darum, ebenso wenig wie um die Fliege, die ihm über das Gesicht spazierte. Er bemerkte sie nicht einmal.
Ich hieß den Unteroffizier, einen Krug Wasser und etwas Fladenbrot in die Zelle zu stellen. Lysippos blieb regungslos. Ich wollte gehen und hatte schon die Tür in der Hand, als ich hörte, wie er etwas murmelte. Ich blieb stehen und drehte mich zu ihm. Er hob kaum den Kopf, aber ich verstand seine Worte klar und deutlich.
«Ich habe ihn nicht getötet», lauteten sie.
als ich nach hause kam, fand ich die ganze Familie im Garten. Vater trug einen breiten Strohhut und arbeitete mit einer Hacke in seinen Gemüsebeeten. Aspasia saß auf einem Schemel im Schatten des Innendachs. Sie stickte. Zu ihren Füßen spielten die Kinder mit zwei Tonfiguren, die Raios ihnen geschenkt hatte. Es waren zwei Pferdchen auf Rollen. Teka, unsere Sklavin, kauerte auf einer Strohmatte neben ihnen, putzte Bohnen und summte vor sich hin. Vater sah von der Arbeit auf, strich sich den Schweiß von der Stirn und winkte mir.
«Gibt es etwas Neues?», rief er neugierig.
«Ich erzähl es dir später», antwortete ich und ging zu Aspasia, die ihre Arbeit auf den Boden legte und mich küsste. Ihr Gesicht war liebevoll und besorgt. In ihren Augen stand die gleiche Frage.
«Nichts Besonderes», sagte ich ihr. «Wir haben den Ring und denjenigen, der ihn gestohlen hat.»
Aspasia schickte Teka ins Haus, um mir das Abendessen zu holen, dann nahm sie ihre Arbeit wieder zur Hand. Erschöpft setzte ich mich neben sie. Die Kinder spielten weiter mit ihren Figürchen. Ich schloss die Augen. Der Duft von Rosmarin und Oleander lag in der Luft. Vaters Hacke ging auf und nieder. Ein paar Grillen zirpten in der Sonne. Die Glut des Tages lag noch über den Dächern, aber von den Bergen her kündigte sich ein milder Abendwind an.
Ich sah zu Aspasia und versuchte sie anzulächeln, aber ihr Gesicht hatte sich plötzlich verändert. Ihre Nase war klein und dick. Sie trug einen Bart und kurze Locken. Da saß ein Mann neben mir! Er betrachtete mich höhnisch, gelb blinkten seine Zähne zwischen den zu einem hässlichen Grinsen verzogenen Lippen. Er warf mir einen Lederbeutel hin. Als ich ihn auffing und begriff, dass Münzen darin waren, erkannte ich ihn als den Kapitän des persischen Schiffes, der neben mir saß. Ich wollte ihm den Beutel zurückgeben, aber meine Arme gehorchten mir nicht. Sie blieben unbeweglich und fühlten sich an wie fremdes Fleisch an meinem eigenen Körper. Ich versuchte wenigstens die Hände zu öffnen – vergeblich.
Was geschah mit mir? Und was geschah mit dem Perser? Sein Gesicht veränderte sich, verformte sich: Die Nase schwoll an, die Backen quollen auf, die Augen fielen in ihre Höhlen zurück. Das Gesicht des Kapitäns wurde zur Fratze. Es verwandelte sich in eine Maske, wie sie die Schauspieler im Theater tragen. Riesenhafte und zornige, dabei aber leere Augen starrten mich an. Aus dem weit aufgerissenen Maul drangen eigentümliche Laute, Worte einer fremden Sprache, die ich nicht verstand. Da begann von fern eine Glocke leise in meinen Ohren zu klingeln, und der Kapitän fasste meine unbrauchbaren Arme. Ich fühlte die Berührung, wie man einen Schlag auf ein Bein empfindet, auf dem man zu lange gelegen hat.
«Nikomachos!», hörte ich Aspasias Stimme zu mir sprechen und schreckte auf. Beinahe hätte ich sie zurückgestoßen. Sie hatte sich zu mir herübergebeugt und mich geweckt. Teka stand vor mir und hielt ein Tablett in den Händen. Sie zitterte ein wenig. Krug und Becher stießen leicht aneinander und tönten wie eine kleine Glocke. Kalter Schweiß stand mir auf der Stirn.
«Es ist alles in Ordnung», beruhigte mich Aspasia. «Du hast geträumt.»
«Ja», antwortete ich. Meine Kehle war trocken. Ich stand auf und wusste für einen Moment nicht, wo ich war. Mein Herz schlug heftig. Ich entschied mich, ins Haus zu gehen, um mir das Gesicht zu waschen.
Drinnen war es kühl, dunkel und still. Aspasia hielt die Fensterläden tagsüber geschlossen, um die Hitze draußen zu halten. Nur einige schmale Streifen Licht fielen durch die Spalten in den Brettern und silberne Staubkörner tanzten darin.
Ich goss Wasser in eine Schüssel und warf es mir mit vollen Händen ins Gesicht, um wieder ganz zur Besinnung zu kommen, aber es war nicht leicht, den Schlaf des Tages und seine

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