Mord Im Garten Eden
Tanten und Cousinen statt, vorausgesetzt natürlich, das Wetter spielt mit. Von mir wird nur erwartet, an den Picknicks teilzunehmen, weil ich zur Schule gehe. Aber an diesem speziellen Donnerstag wurde eine Lehrerkonferenz in der Schule abgehalten, und deshalb hatte ich frei.
Und dann meinte Mama, ich könnte eine gute Tat verrichten und mitkommen. Aus einem unerwarteten Ausbruch von Großzügigkeit heraus sage ich okay. Ich lege meine Schulsachen ab, ziehe mir die Schuhe an, klettere auf den Rücksitz des Kombis und mache Platz für Oma und ihre Schwestern. Da wir ein großes Auto haben, spielt Mama Sammeltaxi.
Meine Großtanten haben auch Töchter, aber meine Mama ist die Einzige, die Großmama regelmäßig besucht. Womit meine Großmama gegenüber ihren Schwestern bei Uroma jede Menge Pluspunkte sammelt. Meine Großtanten versuchen zwar immer, Mamas Besuche schlecht zu reden, und Kate sagt dann so Sachen wie: »Was bin ich froh, dass Allison so viel Freizeit hat. Connie muss als Anwältin so schwer arbeiten.«
Oder manchmal sagt Großtante Renee so was wie: »Allison ist ein so fürsorgliches Mädchen. Sie sollte sich wirklich überlegen, Sozialarbeiterin zu werden wie meine Judy.«
Meine Mama, die das Leben sehr zenmäßig nimmt, ignoriert derlei Spitzen geflissentlich. Es ist sogar eher so, dass sie ihr zum einen Ohr hinein- und zum anderen hinausgehen. Es gibt nichts , was sie ärgert. Weder ich und mein loses Mundwerk noch meine lahmarschige ältere Schwester und nicht einmal mein hypochondrischer Vater, der jetzt erst einmal herausfinden muss, wie er von einem Footballhelden zu einem Mann in mittleren Jahren werden konnte. Meine Mama war immer das Auge des Taifuns. Alle Aktivitäten drehen sich um sie, scheinen aber gleichzeitig an ihr abzuperlen. Immer gelassen, aber fürsorglich, auch wenn sie gelegentlich den Eindruck macht, unter Beruhigungsmitteln zu stehen. Aber das ist immer noch besser als bei Emmas Mama, die ständig herumbrüllt.
Auf der anderen Seite gehört Oma nicht zu den Menschen, die Dinge auf sich beruhen lassen. Immer wenn Omas Schwestern verbale Pfeile auf meine Mama abschießen, bekommt Oma Lion diesen stahlharten Blick und sagt dann etwa:
»Deine Sozialarbeiterin Judy hat für alle Zeit, nur für ihre Familie nicht.«
Oder:
»Und deine Connie hat jede Menge Zeit, ins Fitness-Studio zu gehen, aber keine Zeit, ihr eigen Fleisch und Blut zu besuchen?«
Dann holt Mama immer tief Luft, setzt ein freundliches Lächeln auf und sagt: »Mama, Connie ist Connie, und ich bin ich.«
Und Oma setzt hinzu: »Und dafür danke ich Gott.« Außerdem hätte Uroma sonst überhaupt keine Besucher unter sechzig.
Natürlich muss Großtante Kate dann ihre Brut verteidigen: »Connie braucht ein Ventil, um ihren Frust bei der Arbeit loszuwerden, Ida.«
»Dann soll sie im Altenheim einen Aerobic-Kurs geben«, schnauzt Oma sie dann an.
Und der Guru Mama sagt mit ruhiger Stimme: »Jeder hat seine eigenen Stärken.«
»Deine Tochter ist sehr weise«, stellt Großtante Kate dann mit Autorität fest.
Und Renee stimmt ihr zu, und das war’s dann bis zum nächsten Mal. Bis zum nächsten Besuch, wenn Mama wieder aufkreuzt, aber die Töchter der Großtanten nicht. Dann fängt alles mehr oder weniger wieder von vorn an.
Wenn ich allerdings aufkreuze, nun, das ist fast mehr, als sie verkraften können.
Ach, wie süß, dass Christie mitgekommen ist.
Sie ist wirklich etwas ganz Besonderes!?
Was hast du nur für ein Goldstück, Allison. Ganz bestimmt kommt sie nach dir!
Heute trägt Großmama einen pinkfarbenen Polyesteranzug mit passender Plastikhandtasche. Renee hat einen weiten senffarbenen Pullover über einer schwarzen Stretchhose an. Kate hat sich in einen bunten Kaftan geschmissen und sich baumelnde Holzohrringe angesteckt.
Kate war dreimal verheiratet. Das letzte Mal, als sie den Sprung in die Ehe wagte, wollte sie eine alternative Zeremonie. Meine Cousine Sandy, ihre Großnichte, spielte Musik vom Tonband, als Kate den Gang herunterschwebte, und verstreute Herbstblätter und getrocknete Rosenblüten aus einem Korb, den sie im Kunstunterricht am Junior College gebastelt hatte. Kate und ihr Mann Hubert legten Gelübde an die Erdgöttin Ceres ab und beteten dafür, dass der Heilige Geist herabsteigen möge. Meine Uroma hatte ihre Töchter zu Baptisten erzogen, aber falls sie Kates Hochzeit missbilligte, gesagt hat sie es jedenfalls nicht.
Heute Morgen tragen Mama und ich Jeans, T-Shirts und
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