Mord Im Garten Eden
den Mann identifizieren, seid so gut und sprecht ihn nicht direkt darauf an. Sprecht nicht einmal mit ihm. Ihr sollt ihn nur identifizieren, herausfinden, wer er ist, wo er lebt, wo er arbeitet. Es könnte ein ganz und gar Unschuldiger sein. Wir wollen uns keine Klage einhandeln.« Er schaute Lee Wang an. »Gibt es irgendwelche Fortschritte bei der Identifizierung des Opfers?«
Wang sah in seinen schludrig hingeworfenen Aufzeichnungen nach. Er behauptete zwar steif und fest, dass seine chinesische Handschrift viel besser sei als seine englische, vergaß dabei aber zu erwähnen, dass er in Amerika geboren und aufgewachsen war. »Unsere gestrigen Befragungen haben nichts ergeben. Ich habe die Vermisstenlisten des LAPD im Valley durchgeackert. Das war ein glatter Schlag ins Wasser. Bis jetzt fehlen mir allerdings noch Burbank, San Fernando, Simi und die Stadt selbst. Darum kümmere ich mich noch.«
»Gut«, meinte Decker. »Macht euch auf die Socken, klappert die Nachbarn nach dem Burschen ab. Und viel Glück.«
»Matthew Lombard«, sagte Marge. »Er ist einunddreißig und wohnt zirka vier Meilen vom Fundort entfernt, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er arbeitet als Rechtsreferendar in einer Firma in der City.«
»Ihr habt Leute vier Meilen vom Haus entfernt befragt?«
»Einer der Angestellten im 7-Eleven-Markt hier in der Gegend hat erzählt, dass Matthew jeden Tag vor der Arbeit auf einen Kaffee und ein Doughnut vorbeikommt. Er sagt, er könnte es sein. Beim Gesicht war er sich nicht sicher, aber der Leberfleck könnte passen. Der Mann ist ein unbeschriebenes Blatt.«
»Also gut, Margie, du machst jetzt Folgendes: Beschaff dir ein Schwarzweißfoto von ihm und leg es zwischen fünf andere. Mal sehen, ob Adele ihn identifizieren kann. Besorg dir ein Foto über Google - ein Abschlussfoto vom College, so was in der Art.«
»Das dürfte kein Problem sein. Einige Suchmaschinen haben Foren, in denen sich Leute selber präsentieren können. Privatsphäre gibt es nämlich keine mehr. Und wahrscheinlich legt auch keiner mehr Wert darauf, wenn ich an diese unsäglichen Realityshows im Fernsehen denke.«
»Stimmt vermutlich. Hast du dem Verkäufer im 7-Eleven klargemacht, dass er den Mund halten soll?«
»Ich hab ihm gesagt, wenn er redet, schau ich mir seine Greencard genauer an. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir von dem was zu befürchten haben.«
Im Verhörraum standen ein Tisch und vier Stühle. Adele Michaels saß auf der einen Seite, Detective Scott Oliver ihr gegenüber. Sie spielte mit ihrer Zigarettenschachtel und wirkte nervös. Oliver breitete die Fotos aus - sechs Porträts von vorn aufgenommen, Lombard und fünf Nieten, ausgewählt nach Alter, Ethnie, Größe und Gesichtszügen. Die Maklerin brauchte ungefähr zwanzig Sekunden.
»Der da ist es!« Adele zeigte auf das Schwarzweißfoto von Lombard. »Das ist der, den ich fast eingesperrt hätte. Er hat mich ständig mit Fragen gelöchert.«
»Vielen Dank, Miss Michaels«, sagte Oliver.
»Muss ich jetzt noch zu einer Gegenüberstellung?«
»Nein, Miss. Soviel wir wissen, hat der Mann nichts getan, abgesehen davon, dass er sich zu lange auf Ihrem Open-House-Termin aufgehalten hat. Falls Sie ihn noch einmal sehen, sagen Sie ihm von dem hier bitte nichts.«
»Warum sollte ich ihn noch einmal sehen?«
»Vielleicht war er ja wirklich ein Kaufinteressent.« Oliver zuckte die Achseln. »Oder... ich will ja niemanden zu Unrecht verdächtigen, aber manchmal kehren Leute, die etwas Böses getan haben, zum Tatort zurück.«
»Ausgeschlossen«, meinte Adele. »Mit oder ohne Leiche: Das Haus ist verkauft.«
»Aus den aktuellen Vermisstenlisten des Valley, aus San Fernando, Burbank und Glendale haben sich ein Dutzend Möglichkeiten herauskristallisiert«, erzählte Wang. Sie waren in Loos Büro, Decker saß auf seinem Stuhl, und Wang stand vor dem Schreibtisch. »Leider - oder gottlob für die Familien - kam nichts Konkretes dabei heraus.«
Decker fragte: »Bist du sicher, dass die Leute nicht etwas verdrängen wollten?«
»Sie haben mir Fotos von ihren Töchtern gezeigt. Keines davon hat Ähnlichkeit mit unserem Opfer, aber wenn du willst, kann ich sie vorladen und ihnen die Leiche zeigen.«
Decker überlegte einen Augenblick. »Warum sollten wir ihnen das antun, wenn du einigermaßen sicher bist, dass sie keine von den Vermissten ist? Abgesehen davon musst du noch die Vermisstenlisten der Stadt abarbeiten.«
»Damit wollte ich heute
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