Mord Im Garten Eden
offene Fenster herein. Cindys Hände wurden eiskalt, aber gleichzeitig hielt sie das hellwach und bei klarem Verstand. Ihr Blick konzentrierte sich auf die Schießanlagen und die Schießübungen der Trainees. Angelica war in Kabine 8. Ihr ganzer Körper war angespannt und voller Konzentration. Auf ein Signal hin schoss sie eine Salve, aber kaum ein Schuss traf ins Schwarze. Angelica war sichtlich frustriert. Nachdem sie ihre Waffe gesichert hatte, schob sie sie in ihr Futteral, riss sich die Ohrstöpsel heraus, stampfte aus der Kabine und verschwand aus Cindys Blickfeld.
Rigor ließ ein Ts-ts hören und gab Kadett Jackson den Befehl, Angelicas Platz einzunehmen. Zu Cindy und Kate sagte Rigor: »Dem Mädel fehlt es nicht nur an Antrieb, die kann sich nicht einmal aus einer Papiertüte freischießen.«
Kadett Jackson betrat die Kabine, die Angelica gerade geräumt hatte. Cindy stöhnte unhörbar, musste sie doch Rigors Gesellschaft mindestens zehn weitere Minuten ertragen.
Rigor deutete plötzlich auf zwei leere Stühle. »Sie können sich ruhig setzen. Schließlich sind wir hier nicht im Trainingslager.«
Cindy zögerte, nahm dann aber doch Platz und hoffte, dass ihr die Erleichterung nicht zu sehr ins Gesicht geschrieben stand.
»Ihr beiden kommt aus Polizistenfamilien«, kommentierte Rigor. »Ihren Vater, MacKenny, kenne ich nicht, aber Ihren, Decker.«
Cindy sagte: »Ja, er hat eine Weile beim Los Angeles Police Department gearbeitet.«
»Hat sich einen ziemlichen Namen gemacht.«
»Er ist ein Arbeitstier.«
»War in Ihrer Kindheit vermutlich nie zu Hause - hab ich recht?«
»Er war zu Hause, wenn es wichtig war, zu Hause zu sein«, sagte Cindy ruhig.
»Anscheinend nicht. Ihre Eltern sind geschieden, stimmt’s?« Sie spürte, wie Wut in ihr hochstieg. Vom Verstand her wusste Cindy, dass Rigor sie testete, sie aus der Reserve locken wollte. »Ja, sie sind geschieden«, sagte sie und hoffte, dass ihre Stimme nicht allzu gepresst klang.
»Gab zu Hause wohl Schwierigkeiten.«
»Ich war noch jung, als sie sich scheiden ließen, Sergeant. Ich bemühe mich nach Kräften, nicht in meiner Vergangenheit zu wühlen. Das ist kontraproduktiv.«
Rigor nickte: »Sie haben auf alles eine Antwort, oder?«
Cindy versuchte ein leises Lächeln: »Schön, wenn’s so wäre.«
Rigor stand auf, ging hinüber zur Kaffeemaschine und warf ein paar Münzen in den Schlitz. »Wie trinken Sie Ihren Kaffee?«
Cindy wollte aufstehen. »Ich hole ihn selbst, Sergeant...«
»Beantworten Sie einfach meine Frage, Kadett Decker.«
»Schwarz!«, sagte Cindy. »Kate auch.«
Kate lächelte dankbar.
»Ich habe leider nur noch zwei Münzen«, antwortete Rigor. »Ihr könnt ihn euch ja teilen.« Sie griff in den Kaffeespender und nahm den dampfenden Pappbecher heraus. Sie drehte sich um, und dann riss es sie urplötzlich nach hinten, als hätte ein heftiger Windstoß sie getroffen. Schwarzer Kaffee spritzte in hohem Bogen durch die Luft, und Rigor schlug mit dem Kopf auf dem Betonfußboden auf. Blut sprudelte aus ihrer Schläfe.
Kate kreischte. Cindy rannte zu Rigor hinüber und presste die Handballen auf ihren Kopf, in dem Versuch, das Blut zu stillen. Augenblicke später standen mehrere andere Mitschüler um sie herum. »Hol Hilfe!«, schrie sie Kate an. »Ruf die neun-eins-eins an!«
Kate rannte hinaus.
Eine Ewigkeit verging. Obwohl Cindy immer noch presste, wusste sie schon, dass es schlecht stand. Ihre Finger fühlten einen sterbenden Puls, der schwächer und schwächer wurde, bis er vollkommen aussetzte.
Nachdem Cindy den Vorfall zum zwanzigsten Mal erzählt hatte, nahm er allmählich Gestalt an. Im Großen und Ganzen war Folgendes passiert:
Rigor stand an der Maschine, um ihnen Kaffee zu besorgen - nein, sie hatte den Kaffee schon genommen. Sie drehte sich zu ihnen um - ihnen , das waren Kate und sie. Dann warf es sie plötzlich nach hinten, und sie fiel auf den Boden. Beide hatten dieses schreckliche Knacken gehört, als ihr Kopf auf dem Beton aufschlug. Blut sprudelte aus ihrem Kopf.
Woher war die Kugel gekommen?
Aus dem Nichts.
Kugeln kommen nicht aus dem Nichts, Ms. Decker.
Der Verstand ließ nur den einen Schluss zu, dass sie durch das offene Fenster gekommen war. Die Wände konnte sie nicht durchdrungen haben, da es Betonwände waren, und außerdem wurden keine Schusslöcher gefunden. Die Tür zum Flur war geschlossen gewesen; von dort konnte sie auch nicht gekommen sein. Aus der Kantine ebenfalls nicht, denn
Weitere Kostenlose Bücher