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Mord im Herbst: Roman (German Edition)

Mord im Herbst: Roman (German Edition)

Titel: Mord im Herbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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nachher ein wenig zu bleiben?«, fragte Linda. »Ich würde gern in ein paar Geschäfte gehen. Es ist so lange her.«
    »Was für Geschäfte denn?«
    »Klamotten. Ich will mir einen Pulli kaufen. Zum Trost.«
    »Zum Trost wofür?«
    »Dass ich mich einsam fühle.«
    »Wie geht es denn mit dir und Stefan?«
    »Gut. Aber einsam kann man sich trotzdem fühlen.«
    Wallander sagte nichts. Er wusste nur zu gut, was Linda meinte.
    Er parkte den Wagen beim Triangel. Im beißenden Wind suchten sie nach der Adresse. Wallander hatte den Türcode in seine Hand geschrieben.
    Kristina Fredberg wohnte in der obersten Etage des Hauses. Es gab keinen Aufzug. Wallander keuchte, als sie oben ankamen. Linda sah ihn streng an.
    »Du bekommst bald einen Herzinfarkt, wenn du nicht Sport treibst.«
    »Mein Herz ist in Ordnung. Ich bin mit Kabeln am ganzen Körper Rad gefahren, und das Ergebnis war okay. Mein Blutdruck liegt bei 135/80. Das ist auch gut. Außerdem sind meine Blutfette im grünen Bereich. Fast jedenfalls. Meinen Diabetes habe ich unter Kontrolle. Im Übrigen gehe ich einmal im Jahr zur Prostata-Untersuchung. Reicht das, oder willst du alle Angaben schriftlich?«
    »Du bist nicht ganz gescheit«, sagte Linda. »Aber ziemlich witzig. Klingle jetzt.«
    Kristina Fredberg war eine Frau von jugendlichem Aussehen. Wallander fiel es schwer zu glauben, dass sie fünfundsechzig war. Er hätte sie auf gut fünfzig geschätzt.
    Sie bat sie ins Wohnzimmer. Ein Kaffeetablett stand auf dem Tisch. Sie hatten sich gesetzt, als eine Frau in Lindas Alter hereinkam. Sie stellte sich als Lena vor. Wallander konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt eine so schöne Frau gesehen hatte. Sie glich ihrer Mutter, sprach mit der gleichen Stimme wie sie, und als sie lächelte, hätte er sie am liebsten berührt.
    »Stört es, wenn ich mich dazusetze?«, fragte sie. »Aus reiner Neugier?«
    »Überhaupt nicht«, sagte Wallander.
    Sie setzte sich zu ihrer Mutter aufs Sofa. Wallander konnte es nicht lassen, einen Blick auf ihre Beine zu werfen. Dann merkte er, dass Linda ihn mit gerunzelter Stirn ansah. Warum habe ich sie bloß gebeten mitzukommen?, dachte er. Um ihr weitere Gründe zu liefern, mich zu kritisieren?
    Kristina Fredberg goss Kaffee ein. Wallander zog seinen Notizblock und einen Stift hervor. Aber er hatte natürlich nicht daran gedacht, auch die Brille einzustecken. Er schob den Block wieder in die Tasche.
    »Sie sind 1937 geboren«, sagte Wallander. »Sie waren das jüngste von vier Geschwistern.«
    »Ich war ein Nachkömmling. Ich glaube nicht, dass ich besonders erwünscht war. Eher ein Betriebsunfall.«
    »Warum glauben Sie das?«
    »So etwas spürt man als Kind. Aber niemand hat etwas gesagt.«
    »Sie sind dort auf dem Hof aufgewachsen?«
    »Ja und nein. Bis zum November 1942 lebten wir das ganze Jahr da. Dann zog Mama mit mir und meinen Geschwistern für ein paar Jahre nach Malmö.«
    »Warum das?«
    Wallander merkte, dass sie beinahe unmerklich mit der Antwort zögerte.
    »Mein Vater und meine Mutter hatten sich zerstritten. Aber sie ließen sich nicht scheiden. Was passiert war, weiß ich nicht. Wir lebten einige Jahre in einer Wohnung in Limhamn. Dann, im Frühjahr 1945, zogen wir wieder zurück. Sie hatten sich versöhnt. Ich fragte meine Mutter in späteren Jahren, warum sie sich zerstritten hatten, aber sie wollte nicht darüber reden. Ich sprach auch mit meinen Geschwistern darüber. Es war wohl nichts Besonderes vorgefallen. Die Ehe war plötzlich auseinandergebrochen. Meine Mutter nahm uns Kinder mit und zog aus. Eines Tages hatten sie sich wieder versöhnt. Und dann hielten sie zusammen bis zum Tod. Ich erinnere mich an meine Eltern als Menschen, die sich liebten. Was in den Jahren während des Krieges geschah, als ich klein war, ist mir nur undeutlich in Erinnerung. Eine dunkle Erinnerung.«
    »In diesen Jahren lebte Ihr Vater also allein auf dem Hof?«
    »Das Vieh musste doch versorgt werden. Mein ältester Bruder sagte, er hätte zwei Knechte gehabt. Einer war als Flüchtling aus Dänemark gekommen. Aber niemand wusste etwas Genaueres. Mein Vater war nicht besonders mitteilsam.«
    Wallander überlegte. Eine Frage ergab sich plötzlich wie von selbst.
    »Hatte er vielleicht eine andere Frau getroffen?«
    »Nein.«
    »Wie können Sie da so sicher sein?«
    »Ich weiß es einfach.«
    »Können Sie das näher erklären?«
    »Meine Mutter wäre nie auf den Hof zurückgegangen, wenn mein Vater eine Geliebte gehabt hätte. Und das

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