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Mord Im Kloster

Mord Im Kloster

Titel: Mord Im Kloster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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blickte auf die entblößte Männlichkeit des Baumeisters. Es war für ihn ein seltsamer Anblick. Er löste in ihm widersprüchliche Gefühle der Erregung und von etwas anderem aus, das er als Mitleid erkannte. Diese ungebildeten Menschen waren ihrem Trieb ausgeliefert und in ihrer animalischen Gier gefangen. Gleichzeitig rief sich Henri zur Ordnung. Nein, so war es nicht. Er hatte gar kein Recht, sie zu bewerten. Sie sicherten den Fortbestand der Art, der Gemeinschaft. Es waren brave Menschen.
    Aber dies war ein heiliger Ort!
    »Und was jetzt?«
    Henri wusste nicht, was er dem Baumeister antworten sollte. Dann sagte er: »Hat man Euch nicht bequemere Unterkunft zugewiesen? Ihr könnt unmöglich hier leben!«
    John bedeckte sich jetzt. »Wir sind arm«, sagte er. »Wir können uns keine Unterkunft leisten, seit der lange Winter alle Bauhütten im Umkreis ruiniert hat. Und im Gästehaus des Tempels ist keine Unterkunft frei, man bereitet sich auf den Ansturm zu Ostern vor. Wir müssen nehmen, was wir kriegen. Auch die Entlohnung ist schlecht, wenn Jennys Baby kommt, wissen wir nicht, wie wir es schaffen sollen.«
    Henri war durch seine Worte angerührt. »Ich werde dafür sorgen, dass ihr menschenwürdig unterkommt. Aber versteht – in unserer Tempelkirche könnt ihr unmöglich…«
    Jenny strich sich nervös die Haare aus dem Gesicht. »Hört einmal, Master. Jetzt, wo Ihr schon mal hier seid. Es gibt da etwas, was Ihr wissen solltet!«
    »Jenny! Sei ruhig! Master Henri interessiert das nicht!«
    »Was wollt Ihr sagen, Jenny?«
    »Nun – in diesem Tempelbezirk ist nicht alles so, wie es sein sollte. Seht Ihr, mein Mann John stellt diese schöne Kirche wieder her. Aber man lässt ihn nicht in Ruhe arbeiten.«
    »Jenny!«
    »Ach, lass doch! Es gibt hier Männer, die nur das Böse wollen. Und sie kommen jede zweite Nacht und erinnern mich daran, dass ich Kinder haben werde. Und sie sagen, dass sie mir diese Kinder fortnehmen werden. Dass sie ihnen Schlimmes antun werden, wenn ich nicht gehorche.«
    Henri spürte einen Kloß im Hals. »Von welchen Männern sprecht Ihr, Jenny?«
    John sagte schnell: »Es ist nicht der Rede wert. Sie sind böse Menschen, das stimmt, aber sie haben keinen Einfluss auf uns. Wir brauchen keine Hilfe gegen sie.«
    Henri blickte weiterhin Jenny an. »Wenn Ihr was nicht tut, Jenny?«
    »Sei still, Jenny! Wir dürfen nicht darüber sprechen. Denk an das Kind in deinem Leib!«
    Jennys Stimme war zu einem Flüstern herabgesunken. »Wenn wir nicht dafür sorgen, dass die Westwand der Kirche einstürzt. Und zwar zur Zeit der Abendmesse. Die Kirche muss voller Betender sein. Und die Zahl der unschuldigen Opfer groß. Das ist ihre Bedingung.«
     
     
    Bruder Robin spannte den mächtigen Bogen, wie alle anderen es taten. Die Anleitungen waren klar und deutlich. Erst wenn der Pfeil wie von selbst abflog, konnte er ins Ziel gehen. Eine Wolke von Pfeilen schwirrte in diesem Moment durch die Luft. Die Zielwand in zehn Fuß Entfernung, auf der Kreise aufgemalt waren, wurde von mehr als der Hälfte der Pfeile getroffen. Ein lautes Hurra war die Antwort.
    Robin dachte daran, wie viel erfreulicher es war, auf dem Übungsgelände in Fickettscroft die Waffen sprechen zu lassen, als im Tempel auf Anschuldigungen zu warten. Wenn man ihm nachwies, dass er nicht nur der Frau des Baumeisters mit unzüchtigen Anträgen nachstellte, sondern auch den Zwerg gezwungen hatte, den Brief im Auftrag des Bischofs zu stehlen, würde der esgard, das Urteil, nicht lange auf sich warten lassen. Man würde ihn bestrafen, auf jeden Fall ausweisen. Schimpf und Schande wären die Folge. Der Würdenträger hingegen konnte sich leicht herausreden. Die Schuld blieb auf jeden Fall bei ihm, dem armen französischen Bruder Robin Gilmour-Bryson. Und er käme nicht mehr in die Nähe von Jenny Sandys.
    Er sah am Rand des Übungsfeldes zwei Männer heranreiten. Erst bei genauerem Hinsehen erkannte er den korpulenten Bischof Savior. Den anderen erkannte er im Schlaf. Es war der französische Edelmann Javierre de Bastard, der mit einer Spende dafür gesorgt hatte, dass er in den Londoner Tempel aufgenommen wurde. Den mächtigen Stapelherrn aus Paris führten wichtige Geschäfte nach London. Auch in St. Albans hatte er zu tun. Konnte sich jemand Stapelherr nennen, war das Stapelrecht nicht an einen Ort gebunden? Robin verstand nichts von solchen Geschäften. Seine einzige Leidenschaft waren immer schon die schönen Frauen gewesen. Leider hatte

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