Mord Im Kloster
ein.
Sie waren in der Nacht angekommen. Sie machten nie ein Aufhebens von ihren Ankünften. Sie kamen mit den Schatten, mit der Dunkelheit. Und wenn ihr Werk getan war, verschwanden sie wieder. So hielten sie es seit Jahren, ohne Ausnahme.
Der Weg durch die Nacht war kein Problem. Sie kannten die Landschaften in dieser Gegend wie eine Geruchsspur. Durch einen Wald gingen sie, als seien sie Blätter, die der Wind vor sich hertreibt. Durch einen Bach wateten sie mit Schwimmhäuten. Die Wiesen und Äcker mit ihren Zäunen und dem Gebüsch aus Dornenhecken umgingen sie und öffneten auf ihren Spürsinn hin die geheimen Pfade mitten hindurch. Vor ihnen teilten sich, wenn es nötig war, auch die tieferen Wasser.
Die Nacht und das Kloster lagen vor ihnen wie ein geöffnetes Buch mit allen seinen Lesezeichen. Deshalb brauchten sie keine andere Orientierung als ihren Spürsinn. Sie waren daran gewöhnt, im Dunkeln schärfer zu sehen und zu hören als andere. Wie Raubtiere auf der Pirsch. Ihr Anführer Robin liebte diese Vorstellung und lachte in sich hinein.
Ihre Reittiere stellten sie im Ort ab. Am Rand der Klostermauer berieten sie sich. Noch hatten sie Zeit, sie wollten nichts überstürzen. Deshalb beschlossen sie, das ganze Kloster einmal zu umrunden. Sie schätzten es, über alle Einzelheiten eines Tatortes genau Bescheid zu wissen. Robin hatte das von den Tempelrittern gelernt, die daraus eine hohe Kunst gemacht hatten. Eine Kunst des Tötens nichtswürdiger Feinde. Er war ein gelehriger Schüler.
Robin war noch ganz befangen von dem nächtlichen Abenteuer in Londons Southwark, in dem er ein junges Ding verführt hatte. Wie albern die Weiber waren! Sie ließen sich mit billigstem Tand verführen und glaubten verlogenen Schwüren. Schwüre waren so einfach – wenn man nicht an das Fegefeuer glaubte. Robin lachte nur bei dem Gedanken an solche Ausgeburten pfäffischer Fantasie. Fegefeuer! Tanzende Teufelchen!
Robin blickte sich um und winkte den anderen, ihm zu folgen. Sie stellten nie Fragen. Sie gehorchten ihm blind. Er zahlte bei jedem Auftrag besser als alle die anderen Adligen, die gut ausgebildete Halsabschneider aus den Londoner Slums brauchten, wenn sie sich selbst nicht die Hände schmutzig machen wollten.
Dann hatten sie die richtige Stelle gefunden. Sie hielten an und warfen eine Strickleiter über die Klostermauer, deren Haken sich auf der anderen Seite verfingen. Robin bestimmte zwei aus ihrer Mitte und instruierte sie.
»Ihr versteckt euch in den Ställen. Heute ist Sonntag. Niemand arbeitet dort am Sonntag. Ihr bleibt einfach dort und macht euch unsichtbar. Wenn ich will, dass ihr tätig werdet, bekommt ihr mein Zeichen. Ihr müsst dann sofort einsatzbereit sein, verstanden?«
»Aber klar, Master Robin, Sir«, sagte einer mit schleppender Stimme und einem Grashalm zwischen den Zähnen. »Seid Ihr doch von uns gewöhnt.«
Der Zweite nickte.
»Also los.«
Die Männer verschwanden jenseits der Mauerkrone, auf der anderen Seite sprangen sie zu Boden und huschten zu den Ställen. Robin machte seinen Männern vor der Mauer ein paar Zeichen. Dann setzten sie ihren Weg fort. Nach einer Weile waren sie wieder am Ausgangspunkt angekommen. Robin Gilmour-Bryson hatte genug gesehen, jetzt wusste er genau, wie er vorzugehen hatte, wenn der Morgen kam.
»Sir Henri, kommt sofort! Es ist etwas Furchtbares geschehen! Etwas ganz Furchtbares! Bruder Kelly ist ermordet worden!«
Henri und Neville sahen den heranstürmenden Mönchen ungläubig entgegen. Bruder Jerome ließ die Feder fallen, die einen Tintenfleck auf dem Pergament hinterließ.
»Kommt zum Stall!«
Henri und Neville folgten den aufgeregten Mönchen, die mit flatterndem Habit vor ihnen herrannten. Auf dem Hof begegneten ihnen andere Mönche, die von dem Geschrei angelockt worden waren. Im Stall angekommen, sahen sie sofort, was passiert war. Im Stroh hinter Gattern, zu Füßen aufgeregt tänzelnder Pferde, lagen zwei Männer. Beide Körper waren blutverschmiert.
»Das ist Bruder Kelly, er ist erst seit vier Wochen bei uns. Den anderen kennen wir nicht. Ein Fremder!«
Henri trat näher. Er sah, dass im Bauch des Fremden, dessen Gesicht ein krauser, roter Bart bedeckte, ein Messer steckte. Der Tote umkrampfte den Schaft des Messers mit weißen Fingern. Im Körper des Benediktiners war keine Waffe zu sehen, aber er schwamm im Blut.
»Wie siehst du die Sache?«, fragte Neville of Gwyn schaudernd.
Henri erwiderte nach kurzer
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