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Mord Im Kloster

Mord Im Kloster

Titel: Mord Im Kloster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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wird allem ein Ende setzen.
    Kurz bevor der Stein ihn erreichte, beschleunigte er seine Fahrt. Plötzlich raste er auf Henri zu, beschrieb eine Kurve und schlug auf seiner Stirn auf.
    Henri hörte ein hässliches Geräusch, er spürte etwas Warmes sein Gesicht herunterlaufen. Dann taumelte er zurück.
    Er suchte hinter sich Halt.
    Aber dann tat sich unter ihm plötzlich der Boden auf, und er stürzte hinunter in den Abgrund.

 
    10
     
     
     
    Frühsommer 1300, das Fest der fünfzig Tage
     
    Die Brüder zogen in die eng umbaute Tempelkirche ein, deren warmer Stein ihnen an diesem frühen Morgen eine Ahnung vermittelte von der Innigkeit der Sakralfeiern. In ihren Reihen fand sich keiner, der nicht ergriffen war von der Freude über das neu erschienene Leben dieses Tages. Im Pfingstoktav gedachten die Templer der Erscheinungen des auferstandenen Herrn. Und war das nicht die schönste Feier? Es war die Zeit der intensivsten Gemeinschaft mit dem Herrn, aber auch der engen Tischgemeinschaft mit den anderen armen Brüdern Christi. Sie rückten zusammen wie nie im Jahr.
    Die Tempelbrüder feierten dieses Fest so, wie es an diesem Tag auch die Benediktiner in Westminster Abbey feierten. Beide Gotteshäuser hatten Brüder ausgetauscht, sie waren nicht dem Bischof von London unterstellt, also konnten sie nach ihrem eigenen Ritus feiern.
    Die Lesungen aus den Abschiedspredigten Jesu hatten sie an diesem Sonntagmorgen schon gehört, es hatte sie alle gestärkt, es war eine weitere Etappe auf dem Weg des Gottesvolkes gewesen. Eine Zeit des Abschieds. Aber auch eine Zeit, in der es auf den Geist ankam, die neue Gestalt der Gemeinschaft zwischen Jesus und dem Tempel.
    Der lange Zug der Templer im weißen Habit mit dem blutroten Tatzenkreuz auf Brust und Rücken durchquerte das rechteckige Langhaus. In den steil aufsteigenden Gewölben, die an den vierfach gebündelten Säulenschäften aus graugrünem Purbeckmarmor ansetzten, atmeten die Tiefgläubigen das reine Licht dieses Kirchenraumes. Sie empfanden das Licht in ihrer Kirche wie ein Labsal, wie Wein, den sie trinken konnten, süßer und köstlicher als Messwein.
    Sie gelangten in das noch luftigere Rondell des Altarraums und knieten hier nieder. Sie knieten inmitten der versteinerten Gestalten ihrer schon verstorbenen Brüder, die mit übergeschlagenen Beinen tief auf den Fußboden aufgesetzt in gewaltigen, einsamen Grabfiguren ruhten. Sie kannten alle Namen der verstorbenen Brüder, als lebten sie in ihrer Mitte. Hier die Toten, dort die Auferstehung, verbunden durch den Geist des lebendigen Tempelordens.
    Der Altarraum leuchtete in den schönsten Farben des frühen Morgenlichts. Die Brüder waren jetzt in ihrer Kirche angekommen und fühlten sich zu Hause. Hier wollten sie sein. Die Feier konnte beginnen.
    Auch der Steinmetz John Sandys war an diesem Morgen ergriffen von der Feierlichkeit in der Kirche.
    Er war keine Christenseele, aber er spürte doch etwas von der Sendung des Geistes, er war imstande, zu verspüren, wie die Gläubigen im Kirchensaal durch den Hinübergang durch Leiden und Tod teilhatten am Leben. Er empfand das selbst besonders stark in diesen Tagen, in denen sein Leben sich veränderte. In seine Gedanken hinein sang der Priester auf Latein: »Gott hat die Welt so geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab!«
    John Sandys hatte Angst wie nie zuvor. Die inneren Dämonen hatten ihn eingeholt.
    Er war noch nicht in der Lage, zu handeln. Er schöpfte noch Kraft für seine Tat. Das würde eine andere Kraft sein als die der Betenden dort unten, mit der sie als Jünger Christi zum ersten Mal nach Ostern die frohe Botschaft öffentlich verkündeten. Ihre Kraft war das durch die Auferstehung neu entstandene Leben. Es war die Liebe Gottes, ausgegossen durch den Geist.
    John Sandys innere Kraft war es, das erhabene Gefühl dieses Tages mit einem einzigen grausamen Schlag zu zerstören.
    Er hatte seine Vorbereitungen getroffen. Der ausgegossene Geist ist ein Mittler, das ist wahr, dachte er, aber er kann auch abschließen und beenden.
    Er erhob sich und löste seinen Blick von den schweren Pfeilern des Mittelraums, von dem rippengewölbten Umgang, an dem er selbst die Fresken kunstvoll erneuert hatte. John wusste nicht viel von dieser Kirche, außer dass sie schön war und dass er sie deshalb gern in Stand gesetzt hatte. Er hatte einmal gehört, dass ihre drei Schiffe des Hallenchors dem Muster von Winchester folgten und dem in Salisbury zeitgleich waren. Er kannte

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